Nirgendwo in Afrika
war ein großgewachsener, grauhaariger Nan-di mit Pockennarben im Gesicht und zierlichen Händen, in denen sehr viel Kraft und noch mehr Sanftheit steckten. Er sorgte mit der Miene eines bekümmerten Vaters für Diana, die er als verpflichtendes Erbe seines toten Bwanas empfand, der ihn vor einem verrückt gewordenen Wasserbüffel gerettet hatte.
Nachts, wenn die Zeit für den letzten Freier abgelaufen war, kam Chepoi noch einmal zurück aus seiner winzigen Hütte hinter den Personalquartieren, schlich sich in Dianas rauchige, nach Alkohol stinkende Höhle, nahm seiner Memsahib die Flasche aus der Hand und brachte sie ins Bett. Im Hove Court erzählte man sich, daß er sie oft sogar ausziehen mußte und ihre gereizten Nerven mit Liedern beruhigte, aber Chepoi war kein Mann der Worte. Ihm reichte es, daß er seiner schönen Mem-sahib ein Beschützer war, und das konnte er nur sein, wenn er nicht mit Menschen redete, die ebenso böse Zungen wie Ohren hatten.
Regina wurde die Ausnahme. Trotz Jettels anfänglichen Bedenken und Owuors eifersüchtigem Gezeter nahm Chepoi sie sehr oft auf den Markt mit, auf dem er Fleisch kaufte und sich nach erregten Streitereien und erbittertem Handel für riesige Krautköpfe entschied, um das einzige Essen kochen zu können, das der Memsahib nach den Anstrengungen der Nacht neue Kraft gab.
Für Regina tat sich auf dem Markt im Zentrum von Nairobi eine neue Welt auf. Orange leuchtende Mangos neben grünen Papayas, die Bananenstauden in Rot, Gelb und Grün, pralle Ananasfrüchte mit Kronen aus glänzenden, tiefgrünen Stacheln und die aufgeschnittenen Passionsfrüchte mit Kernen wie grauschimmernde Glasperlen betäubten ihre Augen, der Duft von Blumen, scharf gebranntem Kaffee und frisch gemischten Gewürzen und der Gestank von faulendem Fisch und bluttropfendem Fleisch ihre Nase; die Fülle von Schönheit, Ursprünglichkeit und Ekel ließ endlich die qualvolle Sehnsucht nach den Tagen verlöschen, die nicht mehr waren.
Es gab hohe Türme von Körben aus geflochtenem Sisal, die Kikapus genannt wurden und mehr Farben als ein Regenbogen hatten, zierliche Schnitzereien aus Elfenbein und glatt polierte Krieger mit langen Speeren aus schwarzem Holz und mit bunten Perlen bestickte Gürtel und Stoffe, deren Muster Geschichten von verzauberten Menschen und jenen wilden Tieren erzählten, die nur Fantasie hatte zähmen können. Schuppige Schlangenhäute, Felle von Leoparden und Zebras, ausgestopfte Vögel mit gelbem Schnabel, Büffelhorn, Riesenmuscheln aus Mombasa, zierliche Armbänder aus Elefantenhaar und goldfarbige Ketten mit bunten Steinen wurden von Indern mit schwarzen Augen und schnell zupackenden Händen angeboten.
Die Luft war schwer und das Konzert der Stimmen so gewaltig wie die schreienden Wasserfälle von Thomson's Falls. Hühner gackerten und Hunde bellten. Zwischen den Ständen drängten sich ältere englische Frauen mit papierdünner, blasser Haut, vergilbten Strohhüten und weißen Handschuhen. Hinter ihnen liefen ihre Hausboys mit den schweren Kikapus wie gut abgerichtete Hunde. Aufgeregte Goanesen redeten so schnell wie schnatternde Affen, und die Inder in farbfrohen Turbans schritten langsam und sehr aufmerksam an den Waren vorbei.
Man sah viele Kikuyus in grauen Hosen und farbigen Hemden, die ihr großstädtisches Aussehen mit schweren Schuhen betonten, und schweigsame Somalis, von denen viele wirkten, als wollten sie in einen Krieg der alten Art ziehen. Kraftlose, nach Eiter stinkende Bettler mit erloschenen Augen, viele von ihnen von Lepra zerfressen, baten um Almosen, und mit unbewegtem Gesicht hockten Mütter auf dem Boden und stillten ihre Kinder.
Auf dem Markt verliebte sich Regina in Nairobi und in Che-poi. Zunächst wurde sie seine Geschäftspartnerin und später seine Vertraute. Weil sie Kikuyu sprach, konnte sie noch besser mit den Männern an den Marktständen handeln als er, der Nandi, der auf Suaheli angewiesen war. Von dem ersparten Geld kaufte ihr Chepoi oft eine Mango oder einen gerösteten Maiskolben, der wunderbar nach verbranntem Holz schmeckte, und am schönsten Tag ihrer Ferien, nach vorheriger Rücksprache mit seiner Memsahib, überreichte er ihr einen mit winzigen bunten Perlen bestickten Gürtel.
»In jedem kleinen Stein ist ein Zauber«, versprach er und machte seine Augen groß.
»Woher weißt du?«
»Ich weiß es. Das ist genug.«
»Ich wünsch mir einen Bruder«, sagte Regina.
»Hast du denn einen Vater?«
»Ja. Er ist Askari in
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