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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Nakuru.«
    »Dann wünsch dir zuerst, daß er mal nach Nairobi kommt«, empfahl Chepoi. Wenn er lachte, wurden seine gelben Zähne hell und die Heiserkeit in seiner Kehle warm.
    »Ich riech dich gern«, stellte Regina fest und rieb sich die Nase.
    »Wie rieche ich?«
    »Gut. Du riechst wie ein kluger Mann.«
    »Du bist auch nicht dumm«, sagte Chepoi, »du bist jung. Aber das bleibt nicht so.«
    »Der erste Stein«, freute sich Regina, »hat schon geholfen. So etwas hast du mir noch nie gesagt.«
    »Ich habe das schon oft gesagt. Nur du hast es nicht gehört. Ich rede nicht immer mit meinem Mund.«
    »Ich weiß. Du redest mit den Augen.«
    Als sie an den von feiner roter Erde bedeckten Riesenkakteen vorbei ins Hove Court zurückkamen, war die durstigste Stunde des Tages von sengender Kraft, aber sie hatte noch nicht, wie sonst, die Menschen in ihre schwarzen Löcher zurückgetrieben. Der alte Herr Schlachter schaute zum Fenster heraus und lutschte Eiswürfel. Er hatte ein schwaches Herz und durfte nicht viel trinken. Das wußten alle, und doch beneidete jeder die Schlachters um ihren Eisschrank.
    Regina schaute eine Weile zu, wie der müde Mann mit den trüben Augen und dem runden Bauch einen Würfel nach dem anderen aus einem kleinen silberfarbigen Topf nahm und ihn langsam in den Mund steckte. Sie überlegte angestrengt, ob sie sich für eine kleine Perle wohl auch ein krankes Herz und viele Eiswürfel wünschen dürfte, doch die Art, wie der alte Schlachter sie ansah und sagte: »So möchte ich auch noch mal springen können«, verwirrte sie.
    Das rosa Baby im hellblauen Strampelanzug saugte an Mrs. Taylors weißer Brust und jagte den Neid, der Ruhe schneller fressen konnte als große Safariameisen ein kleines Stück Holz, in Reginas Sinne. Um ihren zu voll gelaufenen Kopf leer zu bekommen, beobachtete sie, wie Frau Friedländer den schwarzlockigen Pelzmantel ausklopfte, den sie sich zur Auswanderung gekauft und nie getragen hatte.
    Mrs. Clavy stand in ihrem Garten und erzählte ihren roten Nelken, daß sie ihnen erst nach Sonnenuntergang Wasser bringen dürfte. Regina leckte ihre Lippen, um ihr zulächeln zu können, doch ehe sie Feuchtigkeit in ihrem Mund geholt hatte, sah sie Owuor mit Rummler unter einem durstenden Zitronenbaum. Sie rief den Hund, der träge nur eins seiner Ohren bewegte, und erkannte mit Reue, daß sie sich den ganzen Tag nicht um ihn gekümmert hatte. Sie überlegte, wie sie Owuor den Gürtel zeigen konnte, ohne seine Eifersucht auf Chepoi zu entzünden. Da sah sie, daß sich seine Lippen bewegten und daß  Feuer in seinen Augen war. Als sie auf Owuor zurannte, raste ihr seine Stimme entgegen.
    »Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren«, sang er so laut, als hätte er vergessen, daß es in Nairobi kein Echo gab.
    Regina fühlte den lange vergeblich ersehnten, den stechenden Schmerz der Erwartung.
    »Owuor, Owuor, ist er gekommen?«
    »Ja, der Bwana ist gekommen«, lachte Owuor. »Der Bwana Askari ist gekommen«, berichtete er stolz. Er nahm Regina hoch wie am Tag, als der Zauber begonnen hatte, und preßte sie an sich. Eine kurze Seligkeit lang war sie seinem Gesicht so nah, daß sie das Salz sehen konnte, das an seinen Augenlidern klebte.
    »Owuor, du bist so klug«, sagte sie leise, »weißt du noch, wie die Heuschrecken kamen?«
    Satt von Freude und Erinnerung wartete sie ab, bis das Schnalzen seiner Zunge aus ihren Ohren wich; dann schleuderte sie ihre Schuhe von den Füßen, um schneller über den Rasen fliegen zu können, rannte ungeduldig zum Flat und riß die Tür mit einer Gewalt auf, als müßte sie ein Loch durch die Wand schlagen.
    Ihre Eltern saßen dicht beieinander auf dem schmalen Bett und trennten sich mit einer so plötzlichen Bewegung, daß der kleine Tisch vor ihnen einen Moment schwankte. Ihre Gesichter hatten die Farbe von Mrs. Clavys gesündesten Nelken. Regina hörte, daß Jettel laut und schnell atmete, und sie sah auch, daß ihre Mutter weder Bluse noch Rock anhatte. Sie hatte also ihr Versprechen nicht vergessen, in guten Tagen noch ein Baby zu bekommen. Waren die guten Tage schon auf Safari gegangen?
    Es machte Regina unsicher, daß ihre Eltern nichts sagten und so steif, stumm und ernst wie Holzfiguren auf dem Markt wirkten. Sie fühlte, daß auch ihre Haut rot wurde. Es war schwer,  die Zähne auseinanderzubekommen.
    »Papa«, sagte sie endlich, und dann stürzten die Worte, die sie hatte einsperren wollen, doch wie schwere Steine aus ihrem Mund: »Haben

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