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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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es sich mit dem satanischen Vulkan  nicht verderben durfte.
    Dieser weibliche Riese mit dem aufreizenden Turban und der lächerlichen Nelke obendrauf, die pikanterweise aus seinem Garten stammte, wußte nicht nur, daß er im Hove Court die meiste Zeit ein Zimmer für besondere Fälle frei hielt. Die Frau war auch noch ausgerechnet Manageress im Horse Shoe. In der kleinen Bar, die wegen ihrer Intimität, dem Vanilleeis und den Currygerichten bei den Soldaten aus England beliebtester Treffpunkt Nairobis war, wurde ausschließlich indisches Personal in der Küche beschäftigt und fast immer solches aus Mr. Malans emsiger Verwandtschaft.
    So war auch der Handel im Fall der Soldatenfrau, die Malan ungewohnt weich stimmte, weil ihre Augen ihn an die wunderschönen Kühe seiner Jugend erinnerten und die sich zu seiner Befriedigung wenigstens als eine Refugee aus Deutschland entpuppte, von gewohnter Kürze. Jettel bekam das freie Zimmer und die Erlaubnis, ihren Hund und Hausboy mitzubringen. Der jüngste Bruder seiner Frau, dem zwei Finger an der rechten Hand fehlten und der deshalb besonders schwierig unterzubringen war, durfte vorerst im Horse Shoe die Wartung der Herrentoilette übernehmen.
    Im Hove Court wußten alle, auf die es ankam, daß die neue Mieterin unter dem Schutz von Elsa Conrad stand, und so blieben Jettel die vielen kleinen Schikanen erspart, mit denen sich Neulinge sonst widerspruchslos abfinden mußten, wollten sie nicht für alle Zeiten als Querulanten abgestempelt werden, um die anständige Leute einen großen Bogen machten. Jettels Klagen galten nur noch der ihr ungewohnten Schwüle in Nairobi, den beengten Verhältnissen nach einem »Leben in herrlicher Freiheit auf unserer Farm« und daß Owuor das Essen auf einer winzigen elektrischen Kochplatte zubereiten mußte. Sie wurden indes immer rechtzeitig von Elsa Conrad mit der Bemerkung erstickt: »Jeder Dackel war vor der Emigration ein Bern-hardiner. Such dir lieber eine Arbeit.«
    Als Regina zu ihren ersten Ferien ins Hove Court kam, hatte sich Jettel immerhin so an das neue Leben und vor allem an die vielen Menschen gewöhnt, mit denen sie reden und jammern konnte, daß sie ihrer Tochter täglich versprach: »Hier wirst du die Farm schnell vergessen.«
    »Ich will die Farm nicht vergessen«, erwiderte Regina.
    »Auch nicht deinem geliebten Vater zuliebe?«
    »Papa versteht mich. Er will ja sein Deutschland auch nicht vergessen.«
    »Du wirst dich hier nie langweilen und kannst jeden Tag mit dem Bus in die Bibliothek fahren und dir so viele Bücher ausleihen, wie du nur willst. Für Army-Angehörige ist das umsonst. Frau Conrad freut sich schon, daß du ihr Bücher mitbringen kannst.«
    »Wem soll ich erzählen, was ich gelesen habe, wenn Papa nicht da ist?«
    »Hier gibt es doch so viele Kinder.«
    »Soll ich Kindern von Büchern erzählen?«
    »Dann deiner blöden Fee«, antwortete Jettel ungeduldig.
    Regina kreuzte ihre Finger hinter dem Rücken, um die Ah-nungslosigkeit ihrer Mutter nicht aus dem Schlaf zu reißen. Sie hatte schon am ersten Ferientag ihre Fee in einem Guavenbaum von betäubendem Duft und mit kräftigen Ästen einquartiert. Auch sie selbst konnte mühelos auf den Baum mit den grünen Früchten klettern. Das Blattwerk gab ihr Schutz und die Möglichkeit, den Tag wie zu Hause in Ol' Joro Orok wegzuträu-men. Es wurde ihr nicht leicht, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Vor allem die Frauen ängstigten sie, wenn sie am späten Nachmittag mit grellgeschminkten Lippen und in langen Gewändern, die sie Housecoats nannten, im Garten herumwandelten und Regina ansprachen, sobald sie ihren Baum verließ.
    Gegenüber dem kleinen dunklen Zimmer, in dem zwei Betten, eine Waschschüssel, zwei Stühle und der Tisch mit der elektrischen Kochplatte standen und das sich Jettel, Regina und Rummler teilten, wohnte Mrs. Clavy. Sie gefiel Regina, weil sie ihr zulächelte, ohne ein Wort zu sagen, Rummler streichelte und ihn mit den Resten fütterte, die ihr Hund Tiger übrigließ. Aus der Regelmäßigkeit, mit der Lächeln und fein gemahlenes weißes Fleisch ausgetauscht wurden, entwickelte sich sehr bald eine Gewohnheit, die Regina in ihren Träumen zum großen Abenteuer ihrer Ferien ausbaute.
    An jenen Tagen, die kein Ende nehmen wollten, stellte sie sich vor, aus Rummler und Tiger wären Pferde geworden und sie wäre auf ihnen zurück nach Ol' Joro Orok geritten. Diana Wilkins aber, die in einem Flat, der aus zwei großen Zimmern bestand, neben

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