Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
Vom Netzwerk:
sein Gesuch zum Einsatz in Burma abgelehnt worden war.
    Trotzdem begann sie ihren Brief mit den Worten »Mein Held, mein Vater« und schloß mit der Zeile »Theirs but to do and die« aus ihrem Lieblingsgedicht. Zwar vermutete sie, ihr Vater würde die sprachliche Schönheit nicht würdigen können und auch zu wenig von der schicksalhaften Schlacht von Balaclava und dem Krimkrieg wissen, aber sie brachte es in einem so entscheidenden Moment der Weltgeschichte nicht über sich, auf das Lob der englischen Tapferkeit zu verzichten.
    Um ihrem Vater in Englands großer Stunde dennoch eine besondere Freude zu machen, beschenkte sie ihn mit seiner Sprache und fügte, sehr kleingeschrieben, hinzu: »Balt faren wir nach Leobschütz«, was Mr. Brindley trotz seines Mißtrauens gegen die Dinge, die er nicht verstand, großzügig übersah. Das berühmte Zitat indes las er mit Wohlwollen, nickte gleich zweimal hintereinander und bat Regina, den weniger ausdrucksstarken Mädchen mit deren Briefen zu helfen.
    Leider beschämte er damit die schlechten Schülerinnen auf sehr unenglische Art, doch Regina kam sich trotzdem vor, als hätte man ihr einen alten Traum erfüllt und sie mit dem Victoria Cross ausgezeichnet. Als der Direktor anschließend die Kinder der Kriegsteilnehmer einlud, den Tee in seinem Zimmer einzunehmen, ließ sie sich ihren Brief noch einmal zurückgeben, um von der Ehrung zu berichten, die ihr widerfahren war. Zum Glück fiel es Mr. Brindley nicht auf, daß nun ihr von ihm öffentlich gelobter und verlesener Heldendank mit der Bemerkung »Bloody good for a fucking refugee« schloß. Gerade Regina wußte genau, wie sehr er Vulgarität verabscheute.
    Auch in Nairobi wurde das Ende des Kriegs in Europa mit einem Engagement gefeiert, als hätte ausschließlich die Kolonie zum Sieg beigetragen. Die Delamare Avenue verwandelte sich in ein Meer von Blumen und Fahnen, und selbst in billigen Läden mit winzigen Schaufenstern, in denen Weiße so gut wie nie kauften, wurden eilig beschaffte Fotos von Montgomery, Eisenhower und Churchill neben das Bild von King George VI. gestellt. Genau wie es die Kinobesucher in den Wochenschauen bei der Befreiung von Paris gesehen hatten, fielen sich fremde Menschen jubelnd in die Arme und küßten Männer in Uniform, wobei es in der Euphorie vereinzelt vorkam, daß sogar besonders hellhäutige Inder abgekost wurden.
    Rasch gebildete Männerchöre stimmten »Rule Britannia« und »Hang out your Washing on the Siegfried Line« an; ältere Damen banden rot-weiß-blaue Bänder um ihre Hüte und Hündchen; kreischende Kikuyukinder stülpten sich Papiermützen über die Locken, die sie sich aus dem Extrablatt des »East African Standard« gefaltet hatten. Die Rezeptionen im New
    Stanley Hotel, bei Thor's und im Norfolk konnten schon mittags keine Buchungen mehr für ihre festlichen Siegesdinners annehmen. Für den Abend wurde ein großes Feuerwerk und für die nächsten Tage die Siegesparade geplant.
    Im Hove Court ließ Mr. Malan in einem Aufwallen von Patriotismus, der ihn selbst noch mehr verwirrte als seine Mieter, die erdverkrusteten Kakteen am Tor abspritzen, die Wege um das Rosenrondell harken und den Union Jack an dem alten Fahnenmast hochziehen, der dazu eigens repariert werden mußte. Er war nicht mehr benutzt worden, seitdem Malan das Hotel übernommen hatte. Am Nachmittag ließ Mrs. Malan, in einem Festtags-Sari aus Rot und Gold, einen Mahagonitisch und seidenbespannte Stühle unter den Eukalyptusbaum mit schwer herunterhängenden Ästen stellen und trank ihren Tee mit vier halbwüchsigen Töchtern, die alle wie tropische Blumen aussahen und beim häufigen Kichern ihre Köpfe wie volltrunkene Rosen im Wind wiegten.
    Diana ließ sich trotz Chepois wütendem Protest nicht davon abhalten, barfuß, im durchsichtigen Nachthemd und mit einer halbvollen Whiskyflasche durch den Garten zu hetzen, wobei sie abwechselnd »To Hell with Stalin« und »Dammed Bolschewiks« rief. Sie wurde in scharfem Ton von einem Major, der Gast bei Mrs. Taylor war, darauf hingewiesen, daß die Russen erheblich und unter bewundernswerten Opfern zum Sieg beigetragen hatten. Als Diana aufging, daß noch nicht einmal ihr Hund glauben mochte, sie sei die jüngste Zarentochter, obwohl sie es ihm bei seinem Leben schwor, überkam sie ein solches Elend, daß sie sich weinend unter einen Zitronenbaum warf. Chepoi stürmte herbei, um sie zu beruhigen, und konnte sie endlich zurück in ihr Flat bringen. Er trug sie in

Weitere Kostenlose Bücher