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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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wiedersehen werdet, und zwar schon bald.«
    »Wann?«
    »Wo?«
    »Bei der nächsten Versammlung, wenn sich die jungen Mer vorstellen, die glauben, für die große Reise bereit zu sein. Alle Mer werden dort sein, auch dein Vater. Ich weiß es in meinem Herzen, dass er stark genug sein wird. Eine Zeremonie, die so wichtig für uns ist, wird er sich nicht entgehen lassen.«
    Die große Reise . Die Worte klingen vertraut. Ja, natürlich habe ich sie schon mal gehört. Der Wal hat zu mir gesagt, dass ich ihre Tochter vielleicht auf dem Grund der Welt treffen könne, wenn ich alt genug sei, um die große Reise anzutreten. Aber wie kann ich das tun? Ich bin keine Mer. Ich weiß nicht, was die große Reise ist oder warum ich solch eine große Angst und Erregung verspüre.
    »Saph und ich werden an der Versammlung aber nicht teilnehmen«, sagt Conor. »Wir sind keine Mer.«
    Saldowr schweigt für eine geraume Zeit. Jetzt bin ich es, die sich aufsässig vorkommt. Conor kann nicht einfach für mich antworten. Ich blicke auf meine nackten Zehen hinunter. Mein Körper ist zu einhundert Prozent der eines Menschen. Was mein Bewusstsein angeht, bin ich da nicht so sicher. Mein Mer-Blut ist stark. Warum sollte ich nicht an der Versammlung teilnehmen?
    Ich sehe Faros Fischgrätennadel in den Umhang hinein- und wieder hinausfahren. Die große Reise … die große Reise. Sehnsucht überwältigt mich. Ich muss einfach dort sein. Conor irrt sich, wenn er glaubt, dass wir mit den Mer nichts zu tun haben. In meinem Inneren bin ich mehr und mehr eine Mer geworden, seit ich Faro einst in der Bucht kennengelernt habe.
    Und es muss schon viel früher angefangen haben, ohne dass ich es bemerkt habe. Ich wollte nach Indigo, ehe ich wusste, dass Indigo existiert.
    Ich muss an dieser Versammlung teilnehmen. Dad wird auch dort sein, aber das ist nicht der einzige Grund. Ich bin es mir selbst schuldig, dort zu erscheinen. Ich muss mich selbst testen, sonst werde ich mein ganzes Leben lang nicht herausfinden, wie stark mein Mer-Blut eigentlich ist. Werde nie erfahren, wo ich wirklich hingehöre.
    »Faro«, sage ich leise, »willst du die große Reise machen?«
    »Das kann ich nicht entscheiden, Sapphire«, antwortet er, indem er zu mir aufblickt. »Ich werde mich auf der Versammlung vorstellen und meinen Willen und meine Bereitschaft erklären. Dann muss die Versammlung eine Entscheidung treffen. Manche werden ausgewählt, andere nicht. Einige bewerben sich Jahr für Jahr, ohne je ausgewählt zu werden.«
    Faros Gesicht spricht Bände. Er braucht nicht zu sagen, wie wichtig ihm diese Sache ist. Er will unbedingt ausgewählt werden, jetzt erst recht, da er weiß, dass er nicht zu hundert Prozent ein Mer ist. Ich bin mir inzwischen ganz sicher, dass er auch menschliches Blut besitzt, das vielleicht aus ferner Vergangenheit stammt. All die Dinge, die mir früher so rätselhaft waren, ergeben jetzt einen Sinn. Faro war stets viel häufiger am Ufer als die anderen Mer. Er hält es lange an der Luft aus. Und dann diese Neugier, was die Menschenwelt betrifft. Er hat mir immer so viele Fragen gestellt. Zwar hat er sich auch darüber lustig gemacht, wie die Menschen leben, doch dass er fasziniert war, war unverkennbar.
    Seine dunklen Augen haben keinen silbrigen Schimmer, und seine Haut hat nicht diese typische blaue Färbung, wie bei den anderen Mer. Die Erklärung liegt auf der Hand.
    Doch weiß ich genau, dass Faro jeden einzelnen Tropfen seines menschlichen Bluts hasst. Er sieht darin nichts, das uns verbindet, sondern eine persönliche Schwäche. Ich will es nicht riskieren, ihn danach zu fragen. Faro will ausschließlich zu Indigo gehören.
    »Faro …«, sage ich zögernd und habe Angst, dass er mir die Bitte abschlägt. »Wenn du zu der Versammlung gehst, kann ich dich dann begleiten?«
    Faro lässt seine Fischgrätennadel sinken. Er schaut mich so intensiv an, als könne er meine Gedanken lesen. Vielleicht tut er das auch, und ich lasse es zu.
    Ein breites Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.
    »Ja, kleine Schwester«, antwortet er. »Du kannst mich begleiten.«

Neunzehntes Kapitel

    I ch bin so sehr daran gewöhnt, dass Faro und Conor nebeneinander schwimmen und Conor dabei Faros Handgelenk festhält, dass ich gar nicht bemerke, wenn das mal nicht der Fall ist. Wir sind jetzt nahe an Land und schwimmen knapp unter der Wasseroberfläche. Als ich zu Faro hinüberblicke, um ihn zu fragen, wie weit es noch ist, sehe ich, dass Conor über zwei

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