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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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definitiv die Gierigste von uns allen. Als ihr der Essensgeruch in die Nase steigt, fängt sie am ganzen Körper an zu zittern und ekstatische Laute von sich zu geben. Nur mit Mühe kann ich sie davon abhalten, sich sogleich auf das frisch gegrillte Fleisch zu stürzen und sich die Nase zu verbrennen.
    Zusätzlich zu ihrer eigenen Portion trete ich ihr die leckersten Bissen von meinem Teller ab. Eigentlich soll ich das nicht tun, weil Roger sagt, dass es nichts Schlimmeres gibt als einen Hund, der ständig bettelt, wenn andere Leute essen. Eigentlich hat er ja recht, also erkläre ich Sadie, dass heute Abend eine große Ausnahme ist.
    Sadie geht Conor nach wie vor aus dem Weg, weil er immer noch den Talisman trägt. Ich habe ihm vorgeschlagen, ihn unter seinem Kopfkissen aufzubewahren, aber das hat er rundheraus abgelehnt. Er will ihn Tag und Nacht um den Hals tragen, obwohl wir doch so weit von der Tiefe entfernt sind. Wie auch immer, ich will nicht mit ihm streiten. Jede Kritik an dem Talisman ist auch eine Kritik an Elvira und würde Conor nur umso störrischer machen.
    Ich hoffe, das ist »nur eine Phase«. Es hat mich immer wahnsinnig gemacht, wenn Mum das gesagt hat. Jetzt finde ich diesen Gedanken ganz beruhigend. Conor ist wie … wie Wachs in ihren Händen. Und Elvira ist einfach zu hübsch und sanft und begabt und in jeder Hinsicht perfekt. So jemand passt nicht in unsere Familie – abgesehen von all den praktischen Hindernissen wie zum Beispiel ihrer Flosse …
    Wir haben fast alles aufgegessen. Nur ein einziges Stück Erdbeerkuchen ist übrig geblieben. Sadie hat bereits ein Auge darauf geworfen. Es ist kühl geworden. Auf einen warmen Frühlingstag folgt meist ein kalter Abend. Mum und Roger haben sich eine Flasche Wein geteilt und richten nun romantische Blicke auf den abkühlenden Edelstahlgrill.
    »Sollen wir es ihnen erzählen, Jennie?«, fragt Roger abrupt. Conor und ich sitzen sofort kerzengerade da, während Mum die Panik ins Gesicht geschrieben steht.
    Oh, mein Gott , denke ich. Sie wollen uns erzählen, dass sie heiraten werden. Das können sie doch nicht tun! Dad ist nicht tot. Man darf nicht wieder heiraten, wenn der Ehemann noch lebt oder man nicht rechtskräftig geschieden wurde. Mum wäre eine Bigamistin.
    »Glaubst du wirklich, dass das der richtige Zeitpunkt ist?«, fragt Mum mit dünner, nervöser Stimme. Vielleicht will sie Roger gar nicht heiraten und weiß nur nicht, wie sie ihm das beibringen soll. Keine Sorge, Mum, wir helfen dir schon.
    »Ich habe euch doch erzählt, dass ich in Australien geboren wurde, aber schon als Kind dort weggezogen bin.«
    Conor und ich murmeln irgendetwas vor uns hin. Vielleicht glaubt Roger, er müsse seine ganze Lebensgeschichte herunterleiern, um uns davon zu überzeugen, dass er Mum auch wirklich verdient hat.
    »Es ist ein großartiges Land. Eine fantastische Landschaft und freundliche Menschen mit einer wunderbaren Lebenseinstellung.«
    Roger hört sich an, als arbeite er für die australische Tourismusbehörde, aber es besteht kein Zweifel, dass er jedes Wort ehrlich meint. Sein Gesicht leuchtet vor Enthusiasmus.
    »Ich wollte immer schon an den Ort meiner Kindheit zurückkehren. Ein Freund hat mir letzte Woche gemailt, dass es einen Tauchjob an der Küste von Queensland für mich gäbe … für die nächsten drei Monate.«
    Roger geht weg! So lange Zeit hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht. Doch irgendwie – nun ja, irgendwie muss ich mich wohl doch an ihn gewöhnt haben. Jedenfalls empfinde ich jetzt nicht dieselbe Freude, die ich angesichts dieser Nachricht noch vor wenigen Monaten empfunden hätte. Ich werfe Mum einen verstohlenen Blick zu und frage mich, wie sie damit klarkommen wird.
    »Ich habe ein paar Ersparnisse, die für die Flugtickets reichen«, fährt Roger fort, »und ich könnte mir auch keinen besseren Verwendungszweck denken. Eure Mum und ich finden, dass dies eine Chance ist, die nicht wiederkommt. Nächstes Jahr wird Conor schon in der Abschlussklasse sein und muss sich auf die Prüfungen vorbereiten.
    Zu dem Job gehört auch ein Haus. Es ist ein sehr einfaches Haus, aber wir werden es streichen und bestimmt auch noch ein paar weitere Möbel auftreiben. Viel Geld werden wir zwar nicht haben, aber eure Mum bekommt einen Job in einer Bar. Na, was sagt ihr? Wie hört sich das für euch an – drei Monate Australien? Wir könnten danach noch einen kleinen Urlaub dranhängen und vielleicht sogar nach Neuseeland reisen,

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