Nixenjagd
Franziska . Oliver anwortete nicht darauf . »Welche Tussen?«, hakte Franziska nach . »Silke, Ute, wie sie alle heißen. Sind doch alle hinter dem her . Und die Hühner von gegenüber, aus der Französisch-Klasse , hab ich auch schon über ihn tuscheln hören. Mein Gott, wa s sind Weiber dämlich!«, ereiferte sich Oliver . »Bist du sauer, weil du nicht mehr der Schönste im Land bist?« , stichelte Franziska . »Quatsch!«, zischte Oliver, aber dann sah er Franziska ernst a n und sagte: »Ich muss dir auch was erzählen. Über deine n Freund oder Nicht-Freund Paul. « »Ja?« Franziska konnte sich nicht gegen die Vorahnung wehren, dass ihr Oliver gleich etwas Unangenehmes sagen würde . »Paul hat doch vorher in Braunschweig gewohnt«, begann Oliver . »Das ist kein Geheimnis. « »In meinem Ferien-Sprachkurs war ein Mädchen aus Braunschweig. Sie hieß Meike. Die ist mit Paul in dieselbe Schule gegangen. In die Parallelklasse. « »Ja, und?«, fragte Franziska ungeduldig . »Ihre Freundin war mit Paul zusammen. Sie hieß Solveig. « Woher kam plötzlich dieser Stein in ihrer Brust? Eine Freundin. Bestimmt war die Sache noch gar nicht zu Ende. Braunschweig–Hannover, das war ja keine Riesenentfernung, ein e halbe Stunde mit dem Zug. Das also war der Grund für Paul s Zurückhaltung, deshalb wirkte er manchmal so abweisend . Hände klatschten auf Olivers und Franziskas Schulter. Die beiden fuhren herum . »Leute, kommt ihr mit zum Kiosk?«, fragte Robert. Silke stan d in seinem Windschatten und schüttelte ihr Haar zurecht .
»Klar doch.« Oliver sprang sofort auf und schien mit den Gedanken schon woanders zu sein . »Ich hol nur rasch Geld.« Er rannte in Richtung Decke . Franziska seufzte resigniert. »Bring mir mein T-Shirt mit«, rie f sie ihm nach .
Vor dem Kiosk standen halb nackte Menschen, es roch nac h frisch gemähtem Rasen, Pommes und Sonnenöl. Der Geruc h des Sommers. Oliver und Robert hatten jeder ein Glas Weizenbier vor sich auf dem Tisch, Franziska und Silke einen Eiscafé . Die Sprungbretter waren geöffnet, immer wieder ertönte ei n lautes Platschen, wenn jemand vom Dreier oder vom Fünfe r sprang. Ab und zu pfiff der Bademeister und bellte Ermahnungen durch den Lautsprecher. Kleinkinder mit ketchup-und eisverschmierten Gesichtern wuselten zwischen den Tischen herum. War dieser Junge mit den Brausestäbchen in der Han d nicht Katrins kleiner Bruder? Franziska war nicht sicher, abe r dennoch löste der Anblick des Kindes ein ungutes Gefühl in ih r aus. Sie hatte nach Katrins Beerdigung immer mal bei den Pankaus vorbeischauen wollen. Auch ihre Mutter hatte gemeint , dass »sich das gehörte«. Doch Franziska hatte den Besuch vo n Tag zu Tag aufgeschoben. Was sollte sie mit diesen Leuten, di e ihr im Grunde fremd waren, jetzt noch reden? Noch schlimme r war: Durch ihren Tod war ihr auch Katrin fremd geworden – oder wurde es zumindest immer mehr. Den freien Platz in de r Schulbank hatte nach drei Tagen die kurzsichtige Ruth eingenommen. »Ich kann von hier besser an die Tafel sehen«, hatt e sie gesagt. Franziska hatte ihr dankbar zugelächelt . Nach der Beerdigung hatte keiner der Schüler mehr von Katri n gesprochen. Als wäre ihr Tod ein peinlicher Vorfall, den e s rasch zu verdrängen galt. Und wenn Franziska ehrlich war – auch sie hatte mit niemandem über Katrin geredet. Nur einmal mit ihren Eltern, weil die sich sorgten, wie Franziska das alles »verkraftete«. Ihre Gedanken schweiften ab. Paul. Was tat er wohl gerade? Stand er in der Hotelküche und schnippelte Salat für das Abendessen der Gäste, während sich seine Mutter und seine Schwester hier im Schwimmbad vergnügten? Vorgestern hatte Franziska Paul ihre Handy-Nummer gemailt. Seitdem hoffte sie auf einen Anruf oder wenigstens eine SMS. Aber es kam nichts und Franziska bereute es inzwischen. Besonders nach dem, was Oliver vorhin angedeutet hatte. Was hatte er ihr noch erzählen wollen? Robert stellte sein Bierglas ab und stieß einen krachenden Rülpser aus. »Du Sau«, kicherte Silke und schlug ihm auf den Schenkel. Oliver kniff die Augen zusammen und schirmte sie mit der Hand gegen die Sonne ab. »Schaut mal, wer da kommt«, brummte er und deutete auf eine blonde Frau, die sich zielstrebig auf sie zubewegte. Sie trug ein khakifarbenes Sommerkleid, das ihr etwas Militärisches verlieh. »Schön, dass ich euch hier alle antreffe. Darf ich mich einen Moment setzen?« Oberkommissarin Petra Gerres stellte ihre Badetasche ab und
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