Nixenjagd
fünfzehn Jahre alt und eine begeisterte Reiterin. Sie nahm regelmäßig Reitstunden, immer am Diensta g und Donnerstag um dieselbe Zeit, von halb fünf bis halb sechs . Am 23. November verließ das Mädchen die Reithalle um zwanzig vor sechs, so wie immer. Um diese Zeit herrschte schon fortgeschrittene Dämmerung, und weil es noch dazu regnete, wa r es sicherlich schon dunkel. Der Weg vom Reitstall zu ihrem Wohnhaus führte durch diese Gegend hier...«Er stand auf und trat vor eine große Landkarte, die an der Wand hing und die Stadt Braunschweig und Umgebung zeigte. Er war groß und hatte eine drahtige Figur. Mit einem Bleistift deutete er auf eine grüne Fläche östlich der Stadt. »Es ist ein Feldweg, aber gut befestigt. Er ist für Autos gesperrt, nur die Zufahrt zum Reitstall ist gestattet. Also herrscht dort kaum Verkehr.« Er wies mit dem Finger auf eine Stelle und erklärte: »In diesem kleinen Waldstück hier geht es auf einer Strecke von dreihundert Metern leicht bergab. Etwa in der Mitte dieser Strecke fand eine Pferdebesitzerin, die mit ihrem Jeep vom Reitstall kam, das Mädchen. Das war gegen neunzehn Uhr. Sie lag am Wegrand, ihr Fahrrad befand sich einige Meter weiter weg, mitten auf dem Weg. Die Frau wählte sofort den Notruf und versuchte Wiederbelebungsmaßnahmen. Der Notarzt traf zehn Minuten später ein, konnte aber nur noch den Tod aus ungeklärter Ursache feststellen. Bei der Obduktion ergab sich zunächst, dass das Mädchen mit dem Kopf auf einen Stein oder etwas ähnlich Hartes aufgeschlagen sein muss. Der Schädelbruch führte zum Tod. Die Details finden sie im Gutachten des Rechtsmediziners.« Kommissar Baumann unterbrach sich und trank aus seinem Kaffeebecher. Petra tat es ihm nach. Wieder knurrte ihr Magen. »Verzeihung«, sagte Petra. »Ich hatte heute noch keine Zeit zum Frühstücken.« Baumann reichte ihr lächelnd die Packung Kekse hinüber. Er hatte feingliedrige Hände und trug keinen Ehering. »Geht mir auch oft so«, sagte der Hauptkommissar. Aha. Also kein treu sorgendes Weibchen zu Hause, das ihm morgens die Stullen schmierte. Wahrscheinlich war er geschieden, wie die meisten Polizisten seines Alters, kombinierte Petra. Sie schätzte ihn auf Anfang vierzig. Daniel hatte offenbar die Faxen dicke, er räusperte sich und fragte: »Sie sagten, dass man zunächst annahm, dass sie mit dem Kopf auf einem Stein aufgeschlagen sein muss und daran gestorben ist. War es denn nicht so?« Baumann wiegte den Kopf hin und her. »Es gibt einige Unklarheiten in diesem Fall. Die Suche nach Spuren wurde durch den Regen, der an dem Abend geherrscht hatte, erschwert. Man fand zwar ein wenig Blut an der Stelle, an der sie gelegen hatte, aber dort lag nirgends ein großer Stein.« Obwohl Daniel die Frage gestellt hatte, hatte Hauptkommissar Baumann während seiner Erklärung Petra angesehen. Er hat bernsteinfarbene Augen, bemerkte diese. Hübsche, treue Hundeaugen. »Und warum ist sie überhaupt gestürzt?«, fragte Petra. »Das haben wir uns auch gefragt. Das Fahrrad ging zur kriminaltechnischen Untersuchung. Dort konnte man keine Mängel am Rad feststellen. Es gab auch keine Bremsspur. Die könnte jedoch durch den Regen und das nachfolgende Fahrzeug verwischt worden sein. Aber die Kollegen von der Spurensicherung entdeckten etwas anderes.« Er machte eine Kunstpause und Petra tat ihm den Gefallen, ihn erwartungsvoll anzusehen. »An zwei gegenüberliegenden Bäumen waren etwa auf Kniehöhe Einschnitte in der Rinde zu sehen.« »Einschnitte?«, fragte Daniel. »Was für Einschnitte?« »Sie ist vermutlich gestürzt, weil jemand an diesen zwei Bäumen einen Draht befestigt und über den Weg gespannt hat.« »Und wo war der Draht?«, wollte Petra Gerres wissen. »Weg.«
Für einen Moment war es still im Büro, dann sagte die Kommissarin: »Das heißt, jemand muss, kurz bevor Solveig den Weg entlanggefahren kam, den Draht um die Bäume gespannt haben. Nach dem Sturz des Mädchens hat derjenige den Draht wieder entfernt und das Mädchen liegen lassen.« »Und ihr vielleicht sogar vorher noch den Schädel eingeschlagen«, ergänzte der Kommissar. »Mein Gott!« »Der Rechtsmediziner sagt, die Schädelverletzung kann sowohl von einem Sturz auf einen stumpfen Stein, als auch von einem Schlag mit einem solchen herrühren«, erklärte Hauptkommissar Baumann. »Die Lage der Leiche und die Verletzungen sprechen eher für Letzeres. Das linke Schlüsselbein war gebrochen, aber die Schädelfraktur war auf der
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