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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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gemacht?«, fragt Conor verzweifelt. »Du hast dich verändert. Du bist nicht mehr du selbst.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst.«

    »Lass sie, Conor. Sie muss sich ausruhen. Es braucht seine Zeit.«
    Zum ersten Mal nehme ich meine Umgebung näher in Augenschein. Ich liege auf einem Bett, das – wie in meinem Traum – aus Irländischem Moos besteht. Die Bäume, die mich umgeben, sind so dick wie Eichen. Ihre Stämme knotig und von leuchtend rotbrauner Farbe, die Wurzeln ragen wie Knöchel aus dem hellen Sand. Über unseren Köpfen wogen breite Äste im Wasser. Wir befinden uns nicht mehr als dreißig Meter unter der Oberfläche, doch die Bäume verbergen uns.
    »Behalte deine Schwester im Auge, Conor«, sagt Saldowr, bevor er dem dichtesten Teil des Waldes entgegenschwimmt, wo etliche Bäume ineinander verschlungen sind.
    »Dort lebt er«, flüstert Conor mir zu. »Seine Höhle befindet sich zwischen diesen Bäumen. Faro ist dort, um gesund zu werden, doch wir können nicht dorthin, weil unser Mer-Blut zu schwach ist.«
    Conors Worte dringen von Ferne an meine Ohren. Ich weiß, dass ich aufmerksam zuhören sollte, doch bin ich nicht in der Lage, mich auf Conor oder Saldowr oder sonst irgendetwas zu konzentrieren. Wenn ich mich darauf einlasse, werde ich den Gesang nie wieder hören. Ich bin sicher, dass er immer noch da ist, nur außerhalb meiner Hörweite. Ich wünschte, ich könnte die Strömung wiederfinden, meinen Kopf auf ihr Kissen betten und mich davontragen lassen.
    »Saph!«
    Conor beugt sich wieder mit diesem verzerrten Gesicht über mich. Jene menschliche Eigenart. Das Weinen kommt mir merkwürdig vor. Alles Menschliche scheint so weit weg
zu sein. »Saph!«, fleht Conor, »komm zurück, bevor es zu spät ist.«
    Eine Flüssigkeit sammelt sich in seinen Augenwinkeln. Sie vermischt sich nicht und löst sich auch nicht auf. Eine glitzernde Träne rinnt seine Wange hinunter, fällt wie ein Quecksilbertropfen durchs Wasser und landet auf meiner Stirn. Ein vertrautes prickelndes Gefühl breitet sich im ganzen Körper aus. So fühlt es sich an, wenn einem der Fuß einschläft. Ich verziehe mein Gesicht. Mich schmerzt, was ich sehe. Mich schmerzt, was ich höre. Der Vorhang, den die Strömung zwischen mir und der Welt gezogen hatte, ist heruntergerissen worden. Hier ist mein Bruder. Plötzlich erinnere ich mich daran, welche Panik mich bei dem Gedanken ergriff, meinen Bruder vielleicht niemals wiederzusehen. Conor hat überlebt. Wir sind wieder vereint und wider Erwarten beide am Leben.
    »Conor!«
    »Saph!«
    »Was ist mit dir passiert, Conor? Was ist das für eine Schnittwunde auf deiner Stirn?«
    »Saph!« Er drückt meine Hand. »Du bist zurück! Du bist wieder du selbst!«
    »Ich habe so ein komisches Gefühl, Conor. Als wäre ich aus einem Traum erwacht. Bist du’s wirklich?«
    »Natürlich bin ich’s, du Idiotin! Wer sollte ich sonst sein?«
    Wir können nicht anders, als uns dämlich anzulächeln. Wir können unsere Hände einfach nicht loslassen. Die Umrisse sind so scharf, und alles ist so gleißend hell, dass ich blinzeln muss. Ich kann die Zusammenhänge kaum begreifen.
    »Du hast dich ziemlich merkwürdig verhalten«, klärt
Conor mich auf. »Als hätte dich jemand verhext. Es war schrecklich.« Er schaudert. »Als wäre dein Körper anwesend, doch dein Geist ganz woanders.«
    »Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist. Ich habe alles registriert, konnte aber nichts dabei empfinden. Als würde man hinter einer dicken Glasscheibe stehen. Aber du bist verletzt. Wieso?«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    Wir sitzen Seite an Seite, Conors Arm um meine Schultern, während er mir alles erzählt. Als die Strömung mich fortriss, waren auch sie durcheinandergewirbelt, jedoch nicht verschluckt worden.
    »Als wäre man im Maul eines Riesen«, fügt Conor hinzu. Er konnte nichts anderes tun, als sich an Faro festzuklammern, und dieser ließ ihn nicht los. Sie trugen mehrere Schnittwunden und Blutergüsse davon, konnten der Strömung aber schließlich entkommen. Vermutlich befanden sie sich näher an deren Rand als ich, und mit Hilfe von Faros Schwanzflosse katapultierten sie sich hinaus.
    »Doch ich glaube immer noch, dass wir es nicht aus eigener Kraft geschafft hätten. Die Strömung wollte uns nicht mehr. Sie hat uns ausgespuckt.«
    Nachdem sie sich aus der Strömung befreit hatten, wollte Faro sofort nach mir suchen, doch musste er zunächst Conor in Sicherheit bringen, wie diesem erst später

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