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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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Strömung, die ich nehmen soll. Ein warmer, breiter, sprudelnder Strang. Ich schwimme ihm langsam entgegen.
Jeder Muskel meines Körpers schmerzt vor Erschöpfung. Ich fühle ein Gewicht auf mir lasten, als wäre ich immer noch dem Druck der Tiefe ausgesetzt. Ich werfe mich in die Strömung und spüre ein warmes Sprudeln an meiner Haut. Auf dem Strom des Wassers strecke ich mich aus wie auf einem Kissen. Entspann dich , flüstert die Strömung. Ich weiß, wohin du willst, und werde dich sicher dorthin bringen. Bleib ganz ruhig und vertrau mir. Schließ die Augen.
    Und das tue ich. Ich muss verrückt sein. Die letzte Strömung, der ich mich anvertraut habe, hatte mich wie ein Tiger in seinen Klauen und schleuderte mich in die Tiefe. Doch gibt es eine Alternative? Ich weiß nicht, wo ich bin. Der Wal ist bereits verschwunden. Hätte ich ihn doch bloß nach seinem Namen gefragt. Ich hoffe wirklich, dass wir uns wiedersehen.
    Hier ist es so friedlich. Ich wiege mich sanft in der Strömung. Kein Ungeheuer weit und breit. Ich kann mich entspannen. Doch nach all der Dunkelheit empfinde ich das Licht als so grell, dass meine Augen brennen. Ich werde sie einfach ein wenig schließen.

    Ich habe geschlafen. Der Schlaf war so wohltuend und erholsam, so voll süßer Träume, dass ich nie mehr erwachen wollte. Es war der Schlaf, den die Strömung mir geschenkt hat, durchdrungen von Meeresfarben und Meeresmusik. Von Ferne drang Gesang an mein Ohr, doch konnte ich nur wenige Zeilen des Liedes verstehen:
    Wassernymphen stündlich klingeln,
horch, da sind sie,
ding dong ding …
    Der Schlaf war so sanft wie das Bad in einem seichten Becken, nachdem man zuvor in der rauen, kalten See geschwommen ist. Ich muss stundenlang so dahingetrieben sein – oder waren es nur Minuten, die mir wie Stunden vorkamen, wie das in Träumen geschieht? Manchmal hatte ich das Gefühl, an die Oberfläche des Schlafs zu gelangen, doch dann fiel ich zu den beruhigenden Klängen der Strömung wieder zurück. Sie hüllte mich ein wie eine Decke. Ich hätte fast vergessen, jemals ein anderes Leben gehabt zu haben als dieses. Die Strömung konnte mich meinetwegen treiben, wohin sie wollte. Ich kannte weder Angst noch Kummer, es existierte kein Rätsel mehr, das gelöst werden musste.
    Ich vergaß Conor und Faro. Mein Leben an der Luft schien mir genauso fern wie die Rassel, mit der ich als Baby gespielt hatte. Ich träumte von einer Frau mit der dunklen Schwanzflosse einer Robbe, die ihr Baby in den Schlaf sang. Ich blickte in die Wiege des Babys und sah sein dunkles, flaumiges Haar, kleine Hände, die wie Seesterne waren, und eine Schwanzflosse wie die seiner Mutter. Ich träumte von einer Heimat tief unter den Wellen und einem Himmelbett aus Irländischem Moos und Meeressmaragden mit einem Vorhang aus wogendem Seegras. Irgendwann, zwischen den Träumen, erinnerte ich mich an den Wal. An Dad oder den Grund, warum wir nach Indigo gekommen waren, dachte ich nie. Jedes Mal, wenn ich erwachte und wieder in Schlaf fiel, wurden die Träume bezaubernder. Und die Welt, die ich im Wachzustand erlebte, verblasste zusehends. Warum überhaupt noch erwachen? Warum dorthin zurückkehren, wenn die Strömung mir alles bot, was ich mir je erträumt hatte …

    Ding dong ding …
    Der Gesang klang süßer als jede menschliche Stimme. Mein altes Leben aufzugeben, würde ein Leichtes sein, wenn ich es gegen diesen Gesang eintauschen konnte. Für ihn würde ich alles zurücklassen – alles.

    »Sapphire! Sapphire! Sapphire!«
    Eine Stimme wiederholte immer wieder dasselbe Wort. Ich lauschte ihr träumerisch. Nach langer Zeit erinnerte ich mich an die Bedeutung des Wortes. Es war mein Name. Ich war Sapphire.
    »Sapphire! Sapphire! Sapphire!«
    Warum klang die Stimme so erregt und unnachgiebig? Warum versuchte sie, mich zu wecken? Alles, was zählte, war der Traum. Niemand durfte ihn stören. Lieber würde ich aufhören, Sapphire zu sein, als diesen Traum zu beenden.
    »Sapphire!«
    Die Stimme würde mich nicht in Ruhe lassen. Sie war wie ein hallendes Echo in einer Höhle. Wie eine summende Biene in meinem Ohr. Ich drehte mich in der Strömung und versuchte, meine Ohren zu verschließen.
    Doch plötzlich spürte ich, wie mich jemand am Arm packte und aus der Strömung zog. Irgendjemand riss mich aus meinem Traum, und während dieser in eine Million Wassertropfen zerplatzte, wurde ich in die Welt zurückgeholt.

    »Sie ist wach.«
    Eine Gestalt beugt sich über mich. Ein Gesicht,

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