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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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das mir irgendwie bekannt vorkommt.

    »Saph! Erkennst du mich nicht?«
    Ich starre in das Gesicht. Braune Haut, dunkle Augen, dunkles Haar. Ein ängstlicher Blick. »Du bist … ja, ich kenne dich. Du heißt Conor.«
    »Was redest du denn da, Saph? Ich bin’s, Conor, dein Bruder! Wach auf!«
    »Gib ihr Zeit«, sagt eine andere, weitaus tiefere Stimme. Ich erkenne diese Stimme sofort. Es ist dieselbe Stimme, die meinen Namen rief und mich aus meinem Traum riss.
    »Was soll das?«, rufe ich zornig. »Ich war so glücklich und du hast alles zerstört.«
    »Es hätte dich zerstört«, entgegnet die volle, tiefe Stimme. Jetzt beugt sich eine zweite Gestalt über mich, ein Mann. Seine Haare sind von weißen Strähnen durchzogen, die Augen silbrig und grün. Er wirkt so alt wie die Welt, doch sein Gesicht ist ohne jede Falte. Ist er jung oder alt? Seine Schwanzflosse gleicht der eines Seehunds, von Raureif überzogen.
    »Sie sieht sehr krank aus«, sagt derjenige, den ich als meinen Bruder erkenne. »Was ist mit ihr geschehen, Saldowr?«
    Als ich diesen Namen höre, rieselt ein Schauer durch meinen Körper. Saldowr . All die Erinnerungen fluten in mein Gedächtnis zurück, dabei würde ich am liebsten einen Damm errichten, um sie auf Distanz zu halten. Es war so friedlich in der Strömung, so wunderbar. Warum haben sie mich herausgezogen? Saldowr. Du musst also zu Saldowr, um eine Antwort auf deine Frage zu erhalten, wie schmerzhaft sie auch sein mag.
    »Sie war in der Tiefe des Meeres«, sagt Saldowr. »Sie hat dort überlebt, wo sonst weder Menschen- noch Mer-Kinder überleben können. So ist zwar nicht ihr Körper, aber ihr
Herz zerdrückt worden. Schwach und leer ist sie zurückgeblieben, und die Strömung wusste das. Sie gab ihr trügerische Träume ein. Ich hoffe, wir haben sie rechtzeitig zurückgeholt, ehe die Träume sie so weit forttragen konnten, dass eine Rückkehr unmöglich ist.«
    »Warst du wirklich in der Tiefe, Saph?« Das Gesicht meines Bruders beugt sich über mich. Er sieht mitgenommen und ängstlich aus. Unter seinen Augen sind schwarze Ringe.
    »Ja«, antworte ich ruhig. »Aber mach dir keine Sorgen. Ich war in bester Obhut.«
    Conors Gesicht verzerrt sich. Wie merkwürdig er aussieht. »Was ist mit dir?«, frage ich.
    »Er weint«, sagt Saldowr. »Menschen tun das. Lange Zeit hat er vergeblich nach dir gesucht und trotzdem nie die Hoffnung verloren, dass du überlebt haben könntest. Er hat weder gegessen noch einen Moment geschlafen.«
    Ich starre meinen Bruder an. Etwas beunruhigt mich. Irgendwas ist anders …
    »Warum, Conor? Warum hältst du dich nicht an Faro fest?«
    »Er braucht hier keine fremde Hilfe«, antwortet Saldowr. »Er befindet sich in den Wäldern von Aleph und steht unter meinem Schutz.«
    »Wo ist Faro dann?«
    »Jetzt hör auf, so mechanisch zu fragen, Saph. Machst du dir denn keine Sorgen, was aus ihm geworden ist?«
    »Sorgen? Ach ja, Sorgen …«
    Conor blickt mich beunruhigt an.
    »Gib ihr Zeit«, sagt Saldowr. »Wenn in eurer Welt jemand halb erfroren in den Bergen gefunden wird, setzt man ihn
auch nicht gleich ans Feuer. Deine Schwester ist in der Tiefe gewesen, wo das Leben und die Gefühle zusammengepresst werden, bis sie so dünn sind wie ein Blatt Papier. Lass sie langsam zu uns zurückkehren.«
    Er wendet sich mir zu. »Faro geht es gut. Er ruht sich aus. Er hat deinen Bruder zu mir gebracht.«
    »Er hat viel mehr als das getan, Saph! Faro hat sein Leben riskiert. Nachdem er mich sicher zu Saldowr gebracht hat, ist er in die Tiefe getaucht, um dich zu suchen. Nur mit Glück hat er überlebt. Durch den Druck hatte er das Bewusstsein verloren und wird seitdem von Saldowr gepflegt. Verstehst du nicht, dass wir völlig verzweifelt waren, weil wir glaubten, du seiest tot?«
    »Ich war nicht tot. Ich war die ganze Zeit in Indigo.«
    Saldowr mustert mich eingehend. »Halb Mer, halb Mensch«, murmelt er. »Eine besondere Mischung, aber sehr gefährdet … Du warst die ganze Zeit in Indigo, hast du gesagt? «
    »Das hat mir der Wal erzählt. Er sagte: ›Wie könnte dies nicht Indigo sein, wenn ich doch hier bin?‹«
    »Sag das noch einmal«, bittet Saldowr.
    »Wie könnte dies nicht Indigo sein, wenn ich doch hier bin?«
    Alle schweigen. Warum starren sie mich so an? Saldowr finster und durchdringend, Conor mit merkwürdig verzerrtem Gesicht. Er weint. Menschen tun das.
    Aber ich bin doch ein Mensch. Warum tut Saldowr so, als wäre ich keiner?
    »Was haben sie mit dir

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