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wieder ins Publikum:
„Damit hat sich Taxi für die Endausscheidung qualifiziert, die in ein paar Tagen wieder in diesem Lokal stattfinden wird. Dann stehen ihr Jasmin und Heuschrecke gegenüber, die Gewinnerinnen aus vorangegangenen Vorentscheidungen. Es geht um den Titel der Miß Welt-Müll... Hipp, hipp
„Hurra!“ grölte die Menge.
„Vielen Dank!“
Mit einer lässigen Geste verabschiedete er sich. Taxi warf sich mit wackligen Knien in die Arme von Rémy, dem Dichter mit dem dichten Haar. Jetzt wurde es wieder hell im Keller. Die Jazzkapelle legte los. Aber den meisten reichte es. Sie wollten raus, und es entstand einige Bewegung. Marcelle war blau. Allerdings nicht so dunkelblau, wie ich’s mir vorgestellt hatte. Sie kriegte noch soviel mit, daß sie in ihr Hotel zurück wollte. Aber Germain Saint-Germain tauchte neben mir auf und half mir aus der Patsche.
„Meine Einladung gilt noch“, sagte er.
„Ihre Einladung...“
„Wir gehn zu mir, Taxis Erfolg feiern. Kommen Sie mit?“
Ich nahm an, in meinem und in Marcelles Namen. Hoffentlich würde es bei ihm genug geben, um die Kleine endgültig zuzuschütten.
* * *
Es gab genug.
In seiner hübschen Wohnung in der Rue Guynemer, mit Blick auf den Jardin du Luxembourg, fand auch die durstigste Kehle alles, was man sich an alkoholischen Getränken nur wünschen kann. Sehr gastfreundlich von unserem Gastgeber; denn er selbst trank höchstens Mineralwasser. Ich hatte allerdings den Eindruck, daß das nur eine Attitüde von Monsieur Saint-Germain war, nichts als Schau. Schaumschlägerei. Alleine in seinem Kämmerlein, ließ sich der Heuchler wahrscheinlich vollaufen. Das sagte ich ihm auch. Er aber schüttelte seinen schönen, vom heiligen Feuer zerquälten Intellektuellenkopf mit der persilweißen Mähne.
„Warum, zum Teufel, sollte ich mich besaufen?“ fragte er schleimig sanft.
„Weiß ich nicht. Man muß sich ja nicht unbedingt besaufen, aber vielleicht etwas mehr gönnen...“
Ich griff mir vom Tablett irgendeine Flasche und gönnte mir was.
„Im allgemeinen vertragen die Literaten so einiges...“ bohrte ich weiter.
Er lächelte sein feines Lächeln, intelligent, ironisch, überlegen.
„Die dummen, ja. Aber zu denen gehöre ich nicht...“
Er sah zu einem seiner Gäste hinüber, einem jungen Mann, fast noch ein Kind, der auf einem Sofa lag, von Krämpfen geschüttelt.
„Wie zum Beispiel der kleine Deladoire dort drüben. Sehen Sie sich den an, Burma. Der trinkt Roten und Rum durcheinander. Nimmt auch Drogen, soviel ich weiß. Weil Cocteau Drogen genommen hat. Und weil Rimbaud mehr oder weniger schwul war, wird er’s wohl irgendwann auch. Aber Koks, Suff und Homosexualität verleihen noch kein Talent, wenn keins da ist. Verdammt nochmal, ich meine sogar, das alles zerstört das Talent, wo es vorhanden ist...“
Unmerklich redete er sich in eine leidenschaftliche Erregung. Ohne sich zu berauschen, denn das tat er ja nicht. Jedenfalls hab ich ihn nie berauscht gesehen. Obwohl... bei Leduc hatte er nicht grade Wasser getrunken. Und Drogen...Jede Wette, daß er welche nahm. Oder er kannte Tricks, Geheimnisse, Yoga-Übungen oder so was.
„Ich bitte Sie, sehen Sie sich das Ferkel an!“ ereiferte er sich. „Ist das nicht herrlich?“
Der besoffene Knabe Deladoire kotzte sich den Kopf leer. Ein Mädchen, kaum älter und granatenvoll wie er, stützte den Sterbenskranken. Außer unserem Gastgeber, dem Mädchen und mir kümmerte sich keiner um sein Schicksal. Die jungen Gäste von Germain Saint-Germain, ein rundes Dutzend, beschäftigten sich auf ihre Weise, leerten Flaschen, tanzten oder lauschten einfach nur der Musik vom Plattenspieler, wobei sie wie Rindviecher mit dem Kopf wackelten.
„Herrlich?“ lachte ich. „Wer’s mag... Kriegen Ihre Teppiche öfter was ab?“
„Sind mir doch völlig egal, die Teppiche. Mit meinem Geld kann ich mir jeden Tag neue kaufen, wenn ich will. Schließlich bin ich ein Mensch von erlesenem Geschmack, Burma. Der Autor von Nur eine Viertelstunde für die Liebe...“
„A propos... Ich hatte noch nicht das Vergnügen, der Dame des Hauses vorgestellt zu werden. Gibt’s eine, oder halten Sie’s eher mit Rimbaud?“
Er wurde nicht böse, nur nachdenklich.
„Ich habe eine Frau, ja. Ich hatte eine, besser gesagt. Eine Schönheit, mein Lieber. Miß ich weiß nicht mehr
„Müll vielleicht?“
„Reden Sie keinen Unsinn. Eine richtige Miß Soundso. Eine richtige Schönheit. Unter dem tu ich’s
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