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Titel: nmp06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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nicht. Ich sagte Ihnen schon: ein Mann von Geschmack. Aber sie ist mit meinem Kammerdiener auf und davon gegangen. Brandwell war auch hinter ihr her... Da, sehen Sie ihn? Auch er säuft. Sollte er lieber sein lassen. Ich mag ihn... mein liebster Bewunderer. Sollte nicht trinken.“
    Ihm entging keine Bewegung seiner Gäste. Er folgte ihren kleinsten Gesten, belauerte sie sozusagen. Wie ein Forscher, der Insekten beobachtet, um ihnen die intimsten Geheimnisse ihres Verhaltens zu entreißen. Manchmal blitzte in seinen Augen Grausamkeit auf, dann, ohne Übergang, ein trauriger Glanz, so als entginge ihm irgendetwas. Komischer Kerl, wirklich. Nahm bestimmt Drogen, auch wenn er das Gegenteil behauptete, berauschte sich aber — ich war Zeuge dieses seltsamen Vorganges — mit Mineralwasser. Ich war wohl sternhagelvoll. Fehlte nur noch, daß ich weiße Mäuse sah.
    „Rémy“, rief er.
    „Wasiss?“ lallte der Junge mit dem Pappmache-Gesicht.
    „Wo ist Taxi?“
    „Schläft. Hab ihr ein Schlafmittel verpaßt.“
    Germain Saint-Germain wandte sich wieder mir zu.
    „Die armen Kinder“, säuselte er. „Armer Rémy! Hat einen Gedichtband veröffentlicht. Mir hat er eine Luxusausgabe mit einer schmeichelhaften Widmung verehrt. Ich glaub aber, daß die Gedichte in Wirklichkeit Cora gewidmet waren, zumindest durch sie inspiriert...“
    „Cora?“
    „Meine Gattin, dieses bezaubernde Miststück. Schrei des Herzens ist der Titel. Die Gedichte sind voll von solchen Anspielungen. Genausogut hätte er das Büchlein Coras Körper nennen können. Aber Coras Körper, den hat er nie besessen. Wissen Sie, Cora hatte die Nase voll von Poesie und Genie. Sie zog einen handfesten Kammerdiener vor, einen Domestiken, der nicht nur Weichkäse auf einem Tablett serviert, sondern so was auch in der Birne hat.“
    Er genehmigte sich ein großes Glas Vichy.
    „Verzeihen Sie, mein Lieber. Ich glaub, ich werd sentimental. Verachten Sie mich deshalb bitte nicht. Es ist mir völlig gleichgültig, daß Sie mich sitzengelassen hat . Ich versteh sie sogar. Sie ist meiner überdrüssig geworden. Mit einem Genie zusammenzuleben, ist auf die Dauer zu anstrengend.“
    Ich lachte.
    „Vorsicht! Der Gedanke ist nicht von Ihnen. Rita Hayworth hat so was Ähnliches gesagt, über ihren Mann Orson Welles.“
    Das Genie sah mich schräg von der Seite an.
    „Ich weiß. Im allgemeinen nenne ich meine Quellen. Verdammt nochmal! Hab’s doch wohl nicht nötig, meine Ideen aus Rita Hayworth’s Schädel hervorzukramen!“
    „Da haben Sie aber Glück. Viel ist da bestimmt nicht zu holen.“
    „Also das“, bemerkt er tadelnd, „war aber nicht sehr galant. „ Mußte man mir das unter die Nase reiben? Ich wußte selbst, daß das ungezogen war. Im allgemeinen geb ich so was nicht von mir. Es war eben eine merkwürdige Nacht.
    „Seine Frau als Miststück zu bezeichnen, ist auch nicht besonders galant“, gab ich zurück.
    „Bitte, wir wollen doch nicht streiten“, lenkte er ein. „Sie hat mir genug Geld abgeknöpft. Soll ich durch sie auch noch meine wiedergefundenen Freunde verlieren...?“
    „Anscheinend hat sie das Geld nicht über alles geliebt, wenn sie mit einem Kammerdiener abgehaun ist... Diese Domestiken sind nicht grade steinreich.“
    Er tat erstaunt:
    „Hab ich gesagt, sie sei mit einem Kammerdiener weggegangen? Mein Lieber, achten Sie nicht auf das, was ich erzähle. Geschichten erfinden ist mein Beruf...“
    Er stieß ein leises, schmerzerfülltes Lachen aus. Dann schüttelte er sich und stand auf.
    „Und jetzt zeigen wir einen kleinen Film“, sagte er. „Das wird uns auf andere Gedanken bringen.“
    Er zog einen Vorhang zur Seite. Zum Vorschein kam eine ziemlich große Leinwand.
    „Kommen Sie, Burma! Sehen Sie sich meine erstklassige Anlage an.“
    Über dem Sofa war in einem Wandschrank ein Filmprojektor angebracht. Germain Saint-Germain legte sich aufs Sofa. In Höhe seiner Hüfte ragte ein kleiner Hebel aus dem Schrank. Der Schriftsteller streichelte zärtlich den blanken Griff.
    „Wenn ich müde bin“, erklärte er, „wenn ich das Bedürfnis verspüre, mich zu entspannen, suche ich keine Zuflucht zu Alkohol oder Opium, wie einige meiner Kollegen. Ich hab mein Kino. Besser gesagt, einen Film. Ein Meisterwerk, das ich immer wieder sehen kann. Die Kopie ist zwar nicht sehr gut, aber die besten Szenen sind noch da. Die Jagd des Grafen Zaroff. Kennen Sie ihn?“
    „Ja. Hab ihn aber schon lange nicht mehr gesehen. Würd ihn mir gerne

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