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fluchte der Junge mit leicht südfranzösischem Akzent. „Der Alte da schlägt aus wie ‘n Maulesel. Gehört sich das? Und Sie? Wer sind Sie denn?“
„Privatflic. Hast nichts zu befürchten. Versprich mir, schön brav zu sein, und ich bind dich los. Tust mir richtig leid, wie du da so liegst...“
„Hab keine Lust, den Blödmann hier zu spielen“, knurrte er. „Dazu hatte ich noch nie Lust. Privatflic? Dann hatten wir also mit dir die Verabredung, Charlot und ich?“
„Charlot?“
„Mac Gee.“
„Hm. Kann sein.“
Ich nahm ihm die Fesseln ab. Mit einer Hand. In der anderen hielt ich meinen besten Freund, für alle Fälle. Völlig unnötig. Gilles stand schwankend auf, rieb sich die eingeschlafenen Gelenke, befühlte seine Beule, suchte eine Sitzgelegenheit, fand eine und ließ sich darauf fallen.
„Wieso erpressen?“ fragte er unschuldig. „Ich will nur das Geld, das mir zusteht.“
„Ihnen steht gar nichts zu!“ schrie Grandier. „Machen Sie, daß Sie wegkommen!“
„Nur keine Aufregung“, beschwichtigte ich. „Wir werden das mal in aller Ruhe durchsprechen. Los, Roland!“ Ich setzte mich auf eine Tischecke, Pfeife im Mund, Kanone in der Hand. „Darfst den Ton angeben. Aber keinen falschen, klar? Lüg nicht das Blaue vom Himmel! Was hattest du heute nacht hier zu suchen?“
„Wollte meine Provision kassieren.“
„Provision? Wofür?“
„Für die Glasperlen von Mutter Forestier.“
„Welche Rolle hast du dabei gespielt?“
„Na ja... schließlich habt ihr das Zeug wieder, oder?“
„Nicht durch Sie, soviel ich weiß“, mischte sich Grandier ein. „Aber ich war von Anfang an mit dabei. Charlot und ich, wir waren wie…“
Er hob die Hand, Zeigefinger und Mittelfinger aneinandergelegt.
„...Brüder...“
Die Stimme versagte ihm. Überraschte mich, diese Gemütsbewegung.
„...Ich war so was wie sein Bevollmächtigter“, fuhr er fort. „Hab Kontakt zu Ihnen hergestellt, Monsieur...“
Er sah Grandier an. Der richtete sich steif auf, so als hätte jemand seine Würde verletzt.
„...das sollten Sie nicht vergessen. Ich...“
„Alles Märchen“, schnitt ich ihm das Wort ab. „Du kannst nicht erwarten, daß man dir auch nur einen Sou in die Hand drückt für etwas, was du nicht in der Hand hattest. Du hast dein Glück versucht. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch du mußt das verstehen, mein Sohn: hier ist nichts zu holen. Aber andererseits... Ich bin neugierig. Ihr wart also so dicke Freunde...“ Ich hob die Hand, wie er vorher, Zeige- und Mittelfinger aneinandergelegt.
„Jawohl“, bestätigte Roland Gilles. „Wie Brüder...“
Wieder kippte seine Stimme um.
„Dann hast du ihn also nicht umgelegt?“
„Um Himmels willen, nein!“ rief er, ehrlich entrüstet. „Wo haben Sie denn das her?“
„Nirgendwo. Wer hat ihn dann umgelegt?“
Er verzog das Gesicht.
„Weiß ich nicht.“
„Keinen Verdacht?“
„Keinen Verdacht.“
„Gut, also keinen Verdacht. Auch keinen Schiß?“
„Wieso Schiß?“
„Schiß, daß die Mörder, nachdem sie dem Schwarzen...“
„Dem Schwarzen!“ unterbrach er mich bissig. „Er hatte einen Namen!“
„Schon gut. Lenk nicht ab. Schiß also, daß die Mörder nach Mac Gee jetzt dir den Hals umdrehen könnten.“
Er schüttelte den Kopf.
„Nie dran gedacht.“
„Siehst tatsächlich nicht so aus, als hättest du Schiß.“
„Sag ich doch.“
„Nein, heute... heute... hast du keinen Schiß. Vielleicht weil Salibrani im Knast ist?“
Ein Versuchsballon. Vieleicht hatte der kurze Artikel im Crépuscule irgendwas zu bedeuten. Der Junge zeigte Wirkung. Nur schwach, aber immerhin. Er schluckte.
„Salibrani?“ fragte er naiv.
„Ein Gangster, den die Flics in Nizza eingesperrt haben. Ein Jammerlappen. Völlig am Ende. Nur ein paar Zeilen in der Presse. Wäre er reich gewesen, hätte man bei ihm Geld gefunden... oder in seiner Nähe. So was wirbelt Staub auf. Und wenn er auf Draht gewesen wär, hätte er sich besser versteckt. Ein richtiger, waschechter Jammerlappen.“
„Ich kapier immer weniger“, beschwerte sich Roland Gilles und betastete vorsichtig seine Beule. „Am besten, Sie geben auch gleich die Antworten auf Ihre Fragen.“
„Das ist ‘ne Idee. Dann ging’s schneller. Hör mal gut zu, Kleiner. .
Ich wandte mich an Jérôme Grandier:
„...Entschuldigen Sie, daß ich Sie vom Schlafen abhalte, aber...“
Er hob resigniert die Schultern.
„Oh! Nehmen Sie nur keine Rücksicht auf mich.“
Er
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