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lange Zeit verpönte Rive Droite abgewandert, auf die rechte Seite der Seine also.
Geblieben sind die unzähligen Kunst- und Antiquitäten-Läden, auch die Buchhandlungen. Die Rue de Seine oder die Rue Jacob sind noch immer allerbeste Adressen. Man wohnt noch im Sechsten, wenn auch sehr zurückgezogen. In einer der stillen Passagen zum Beispiel, wie der Passage Dauphine, in die Malet das Cave Bleue hineingedichtet hat. Da mag sich der zeitgenössische Spaziergänger der 80er Jahre kaum noch die Kür einer Miß Müll vorstellen, da sich doch die vorhandene Bausubstanz proper aufgeputzt hat.
Aber die Grundstücks- und Sanierungs-Spekulanten haben sich in den vergangenen Jahren eher auf das Marais auf dem anderen Flußufer konzentriert. Das Sechste war vorher schon teuer. Auch hier ist natürlich vieles nachgebessert worden, aber in der Rue du Pont-de-Lodi zum Beispiel, an der man achtlos vorübergehen mag, der Straße, in der Bernard Lebailly wohnte und dann eben nicht mehr wohnen wollte, da ließe sich noch einiges tun.
Erst recht in der Rue de Nevers, „diesem schmalen, dunklen Schlauch“, dort wo sich heute der Torbogen mit den vielen Inschriften und dem lauten Echo befindet.
Burma, selbst in heiklen Lebenslagen ein Mann mit Sinn für historische Anekdoten, läßt in seiner Erinnerung den längst verschwundenen Turm der Marguerite de Bourgogne wiederauferstehen: „Diese hygienisch bewußte Königin ließ ihre Liebhaber nach Gebrauch von diesem Turm aus in die Seine werfen.“ Andere Quellen schreiben die Nachhilfe zum Pariser Fenstersturz nach getaner Liebesmüh zwar auch willfährigen Kammerdienern zu, vergessen aber nicht zu erwähnen, daß die liebestolle Marguerite schließlich vom eigenen Gemahl im Lotterbett erwürgt worden sei. Dies dramatische Geschehen in der Tour de Nesle läßt sich heute schaurigen Angedenkens nur mehr in der Phantasie nachvollziehen, da der Turm längst vom Erdboden verschwunden und lediglich noch von seinem Grundriß her zu erkennen ist. Den Club de la Botte-Rouge darf man sich hingegen auch heute noch hinter einer Holztür denken, auch wenn das von Burma gesichtete Schild mit dem roten Stiefel fehlt. „Kein Bistro, nichts. Nichts als Häuserwände“. So ist es. Auch heute noch.
Von der engen Rue de Nevers sind es nur ein paar Schritte zum Institut de France und dem Pont Neuf, der sogenannten Neuen Brücke, die heute als die älteste Brücke von Paris zu gelten hat. Es war in der Stadt die erste Brücke, auf die man keine Häuser baute und so wurde sie, nachdem Heinrich IV. sie vor fast 400 Jahren eingeweiht hatte, bald zu einer beliebten Promenade, einem Treffpunkt von Gauklern und Straßenhändlern und schließlich auch der ersten Bouquinisten, die noch heute am Ufer der Seine ihren zumeist wertlosen Trödelkram den Touristen feilbieten.
Im Frühsommer 1985 machte der Pont Neuf erneut Schlagzeilen. Der Verpackungskünstler Christo hatte dem kaum weniger publicitybewußten Pariser Bürgermeister Chirac das Zugeständnis abgerungen, die altehrwürdige Brücke in Bausch und Bogen in beiges Tuch einzuwickeln, unter dem Versprechen, daß dem Pont kein Leid geschehe und der chronisch defizitäre Stadtsäckel der Stadt Paris keinerlei Zugaben zu entrichten habe. Verläßlichen Recherchen zufolge hat Herr Christo auch dieses Stoff-Experiment ohne finanzielle Einbußen überstanden und Paris hatte wochenlang eine Attraktion mehr.
Gegenüber der Reiterstatue Heinrichs IV. findet man übrigens ein Bistro, in dem man nicht nur zu erträglichen Preisen einen offenen Wein und allerlei regionale Spezialitäten der französischen Provinz kosten kann, sondern das darüberhinaus auch ein bevorzugter Treffpunkt der Inspektoren vom nahegelegenen Quai des Orfèvres ist. Nestor Burma wäre dort sicher Stammgast gewesen, hätte er nicht fürchten müssen, seinem gefürchtet-geliebten Feind-Freund Florimond Faroux ständig über den Weg zu laufen.
Darum führte ihn der Weg wohl zurück zum nicht weniger belebten Boulevard St.-Germain. Wenn nicht ins Flore, dann eben ins benachbarte Deux Magots. Auch das eines der legendären Pariser Straßencafes mit roten Mahagoni-Bänken und den irritierenden Spiegelwänden. Noch immer tragen die Kellner ihre bis zum Knöchel reichenden Schürzen unter den eng anliegenden schwarzen Westen und mitten im Lokal thronen über den Köpfen der längst nicht mehr berühmten Gäste die beiden magots, die zwei hölzernen chinesischen Figuren, die dem Lokal seinen
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