nmp08
Gasbeleuchtung, im Schutze der Dunkelheit umgebracht worden
war. Ironie des Schicksals. Marc Covet hatte recht: kein Lüftchen wehte. Die
Bäume über uns standen so reglos da wie Theaterkulissen.
„Gehen wir zur Seine“, schlug
ich vor. „Vielleicht ist es dort etwas kühler.“
Wir schlängelten uns zwischen
den Rasenflächen vor dem Grand Palais hindurch und kamen zum Pont Alexandre
III. Typisch 1900, mit seinen goldenen Göttinnen, die oben auf den Säulen die
Trompeten ansetzen und gleichzeitig die feurigen geflügelten Pferde in Zaum
halten. Die Brücke macht einen so majestätischen Eindruck wie der Zar, der ihr
den Namen gegeben hat. Soviel ich weiß, ist das die einzige Brücke, an der das
Schild angebracht ist: „Teppichklopfen verboten“. Waren damit die Teppiche aus
dem Grand und dem Petit Palais gemeint?
Wir lehnten uns über das
Brückengeländer, nicht weit entfernt von den beiden riesigen Statuen in der
Mitte, deren Rücken mit Grünspan und Schmierereien bedeckt waren. Die Seine
floß sanft dahin, plätscherte trügerisch. Nicht ein kühler Hauch stieg von ihr
auf. Die grünen und roten Ampeln des Pont des Invalides spiegelten sich im
schwarzen Wasser, schwankend wie wir. In regelmäßigen Abständen jagte der sich
drehende Scheinwerfer des Eiffelturms über den sternklaren Himmel von Paris.
Ich unterbrach das Schweigen:
„Frag mich, was mich das
angeht“, fragte ich mich.
„Ich mich auch“, brummte der
Journalist. Er schüttelte sich, als wär er gerade aufgewacht. (Vielleicht war
das gar nicht so falsch). „...äh... was denn, übrigens?“
„Erzählen Sie mir was über
Denise Falaise, ja?“ bat ich ihn, anstatt zu antworten.
„Denise Falaise? Also wirklich!
Sie haben ja Ihre Grace Standford schnell vergessen!“
„Zerbrechen Sie sich darüber
nicht den Kopf. Erzählen Sie mir lieber was über Denise Falaise.“
„Warum? Ist doch langweilig.
Jede x-beliebige Kinozeitschrift kann Ihnen mehr darüber erzählen als ich.“
„Die Kioske sind geschlossen.
Ist mit dieser Falaise irgendwas passiert, vor kurzem?“
„Nicht daß ich wüßte.“
„Kein Unfall zwischen den
Dreharbeiten des... sagen wir... nackten Films und des... eingewickelten?“
„Unfall?“
Behutsam nahm er diese Idee
zwischen zwei Hirnlappen, schüttelte dann den Kopf, um zu sehen, was dabei
rauskam. Nichts kam dabei raus. Nur ein langsames Gähnen. Danach wiederholte
er:
„Nicht daß ich wüßte... Gehn
wir noch was trinken?“ Er zeigte auf die Seine. „Davon krieg ich Durst.“
„ Diese Falaise ist doch nicht aus Holz, oder?“
„Wie alle Felsklippen.“
Nach einem Schluckauf lachte er
über seinen Scherz. Dann trällerte er La Paimpolaise .
„Na gut“, sagte ich seufzend
und richtete mich auf. „Kippen wir lieber noch einen im Crazy-Horse.“
„Endlich ein vernünftiges
Wort“, stellte Covet fest.
* * *
Im Crazy-Horse konnten wir die
wunderschöne Rita Cadillac beim Striptease bewundern. Aber meine Gedanken
kehrten immer wieder zu Denise Falaise zurück. Sollte ich sie Marc Covet
mitteilen? Besser nicht. Möglicherweise hatte ich mich verguckt, hatte schlecht
hingesehen... Schlecht hingesehen? Hm... konnte mir kaum vorstellen, daß ich
nicht richtig hingesehen hatte. Und am Licht wurde im François I. nicht
gespart. Außerdem hab ich Augen im Kopf. Nein, kein Zweifel. Wenn Denise
Falaise in den letzten Filmen ihre stolze Brust nicht mehr so großzügig zeigte,
wenn ihr asymmetrisches Dekolleté auf Abendgesellschaften mehr als keusch und
züchtig ihre rechte Brust verbarg, dann gab es da etwas auf dieser rechten
Brust, was eine Zurschaustellung nicht erlaubte. Etwas, was ich gewerbesteuerpflichtiges,
aber privilegiertes Glückskind gesehen hatte: Die Narbe einer früheren
Verletzung, die nicht gerade von dem Korken einer Spielzeugpistole herrührte!
2.
Die nächtliche Besucherin
Als wir das Crazy-Horse
verließen, winkte Marc Covet ein Taxi ran. Ich ging zu Fuß zurück zu den Champs-Elysées. Die Eingangshalle des Cosmopolitan war
trotz der vorgerückten Stunde taghell erleuchtet. Der Portier saß hinter seiner
Mahagonitheke, frischrasiert, korrekt und elegant, und gab einem jungen Pagen
Anweisungen. Von unten drang gedämpfte Musik aus dem dancing. So spät
noch... das war ungewöhnlich.
„Was ist unten los?“ fragte ich
den Portier, als er mir meinen Schlüssel reichte.
„Die Leute vom Film, Monsieur“,
erklärte er.
Der Liftboy schien vor mir aus
dem Boden
Weitere Kostenlose Bücher