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Geheimnis.
Nur ‘ne ganz einfache Erklärung.“ Ich halte die Hand vor die Sprechmuschel und
wende mich an Montolieu: „Die Polizei hat Wagen und Fahrerin gefunden. Kann ich
die Wahrheit sagen?“
„Tun Sie, was Sie für richtig
halten“, seufzt er.
„Mein Gott!“ stöhnt die Frau.
„Hoffentlich hat sie nichts angestellt!“
„Würd mich wundern. In so
kurzer Zeit... Hallo?“ wende ich mich wieder an Faroux.
„Ist das Lügenmärchen
fertiggestrickt?“ lacht Faroux.
„Nein. Deswegen erzähl ich
Ihnen jetzt, wie’s wirklich ist: das junge Mädchen heißt Christine Delay. Bin
gerade bei ihren Eltern. Die hatten mich beauftragt, ihre Tochter zu suchen.
Ich hab sie gefunden, aber sie ist mir durch die Lappen gegangen... am Steuer
meines Wagens. Sie ist jetzt auf dem Revier? Wie kam das?“
„Sie hatte einen Unfall. Sie
müssen einen Kotflügel ausbeulen lassen, Burma. Scheint nicht so richtig gewußt
zu haben, was sie machte. Hat ein anderes Auto gerammt. Place de la Nation.
Wollte wohl abhaun. Keine Papiere, kein Führerschein, nichts. Der Kollege hat
sie mitgenommen in die Rue du Rendez-Vous. Anhand des Nummernschildes ist dann
der Halter des Fahrzeugs ermittelt worden. An Ihren Namen konnten die sich
natürlich noch erinnern. Kam ihnen ziemlich komisch vor, diese merkwürdigen
Zwischenfälle mit Ihnen... Deswegen bin ich benachrichtigt worden. So. Und
jetzt gehen Sie schleunigst hin und erklären das den Flics.“
„Schon unterwegs.“
„Noch was. Steht das in
irgendeinem Zusammenhang mit…“
„In keinem.“
Ich lege auf und erzähle den
Montolieus, was ich soeben gehört habe. Dann schlage ich ihm vor, mit mir zu
kommen und Christine abzuholen. Das verstehe sich doch von selbst. Darauf wäre
er auch ohne meinen Vorschlag gekommen. Auch seine Frau will mit. Zieht sich
nur noch ‘n leichten Mantel über.
Ich nutze die Zeit für ein
Telefongespräch mit dem Kommissariat der Rue du Rendez-Vous. Nicht um dem
Empfangskomitee Zeit zu geben, die Knüppel zur Hand zu nehmen. Möchte nur
wissen, ob der Chef da ist. Lieber hätte ich’s mit dem Lieben Gott zu tun. Mit
dem würde ich besser fertig als mit diesen Heiligen. Der Kommissar ist
tatsächlich zu sprechen. Ich teile ihm mit, daß Faroux mich angerufen hat und
daß ich zusammen mit den Eltern des Mädchens aufs Revier komme, um alles zu
klären.
„Also, gehen wir“, sagt
Montolieu.
Von der Garage aus geht’s auf
eine kleine Nebenstraße der Avenue de Saint-Mandé. Auf zum Rendezvous in die
Straße desselben Namens!
* * *
Der Wagen mit dem verbeulten
Kotflügel gehört mir. Christine sitzt im Revier auf der Sünder-Bank, Beine
übereinandergeschlagen, Blick abwesend. Der jüngste der anwesenden Flics
schielt auf ihre Beine. Madame Montolieu stürzt sich auf ihre Tochter, erstickt
sie mit ihren Umarmungen. Der Weinhändler und ich erklären dem Kommissar die
Situation. Die gesellschaftliche Stellung von Montolieu macht einen
hervorragenden Eindruck. Färbt auch ein bißchen auf mich ab. Hab ich bitter
nötig. Mein Ruf hier ist etwas lädiert. Vorsichtig ausgedrückt. Schließlich
kommt alles wieder ins Lot. Christine kehrt in den Schoß der Familie zurück,
und ich darf frei verfügen über mich und meinen Dugat. Kopfschüttelnd blickt
der Kommissar uns nach. Denkt bestimmt, daß es kein Wunder ist, wenn dieses
Mädchen sich wie ‘ne Besoffene aufführt. Bei einem Weinhändler als Stiefvater!
* * *
„Mein armes Mädchen! Mein böses
kleines Mädchen!“ jammert Mutter Montolieu vorwurfsvoll.
Das böse kleine Mädchen sitzt
trotzig im Salon, aufrecht, die Brüste wie Pfeile unter ihrer Hemdbluse. Ihre
ganze Haltung drückt aus: „Ihr habt mich wieder eingefangen, aber ich hau
wieder ab!“ Und wenn ihr Blick zufällig auf mich fällt, lese ich darin Worte,
die sie von Bébert gelernt haben muß.
„Wie konntest du nur einfach so
weggehen?“ jammert die Mutter weiter. Ihr rückblickender Kummer läßt sie meine
Anwesenheit vergessen. „Hast du es nicht gut hier? Dir fehlt doch nichts! Warum
machst du mir solche Sorgen?“
„Ich bitte dich, Mama!“
Mama drückt das Mädchen in
einem Anflug von Leidenschaft an sich. Plötzlich verliert die Kleine die
Nerven. Sie fängt an zu heulen, als wär sie zehn Jahre oder noch jünger.
„Oh, Mama! Meine liebe kleine
Mama…“
Montolieu verbirgt seine
Verlegenheit oder Rührung hinter einem kurzen Räuspern. Er geht zu den beiden
Frauen. Gleich heult er auch noch los.
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