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Achseln.
„Ach, wissen Sie, M’sieur, ich
hab gemacht und gesagt, was sie mir gesagt hat, für den Fall, daß jemand danach
fragen würde. Was wollen Sie? Die Kleine war hübsch. Galant wie ich bin... Ja,
ganz hübsch, die Puppe. Hab ich wohl gemerkt. Können Sie sich ja denken. Sogar
am Telefon... die hat ‘ne Stimme! Wird einem ganz anders... Und das andere
stimmt auch. Die kann anhaben, was sie will. Sieht immer splitternackt aus.
Sieht man selten, hm?“
„Ach, Gott! Ich hab öfter mit
solchen Sonderbegabungen zu tun. Also, sie hat dir durchs Telefon Anweisung
gegeben?“
„Ja.“
„Wohl am Morgen nach der Fahrt,
oder? Ziemlich früh.“
„Sie wissen ja alles ganz
genau.“
„Manchmal schiebt sich ‘n Riegel
davor. Aber dieser Riegel hat mir einiges verraten.“
„Hm?“
„Ja.“
„Ja, ein Riegel. Als ich bei
ihr geschlafen hab, war er vorgeschoben. Hatte Simone selbst gemacht. Aber am
nächsten Morgen brauchte sie nur den Türknopf zu drehen, um die Tür zu öffnen.
Simone war also ganz früh schon draußen gewesen. Zum Frühstück gab’s nur
schwarzen Kaffee. Also hatte sie weder Milch noch Croissants geholt. Nein, der
Grund war ein anderer, klammheimlicher. Ein weiteres Detail für den Verdacht,
den ich sowieso schon hatte...
„Und was hat sie dir am Telefon
gesagt?“ frage ich Grainard.
„Tja... daß sie irgendein
Scheißkerl schikanieren würde und wüßte, daß sie ein Taxi genommen hatte. Und
daß er bestimmt wissen wollte, woher sie kam, und das durfte er nicht wissen...
es ging um ihre Ehre, hat sie gesagt. Und ich wär doch ‘n Gentleman... hm... da
hatte sie recht... ich bin nämlich ‘n Gentleman. Also sollte ich sagen, sie war
auf den Boulevards eingestiegen. O.k. Ich geb ihr Namen und Adresse, und sie
hat mir fünf Tausender geschickt.“
„Und wo ist sie tatsächlich
eingestiegen?“
„In Saint-Mandé. In einer
Straße, wo man normalerweise gar nicht mit ‘ner Fahrt rechnen kann. Bin nur so
rumgefahren, auf der Suche nach Kunden.“
„Hm. Komischer Taxifahrer. Fährt
rum und sucht Kunden in Straßen, wo normalerweise keiner zusteigt...“
„Werd’s Ihnen erklären. Ich hab
gar nicht auf den Weg geachtet, und plötzlich steh ich vor ‘ner Baustelle. Da
mußte ich Umwege fahren. So bin ich in der Straße gelandet.“
„Wie hieß die?“
„Keine Ahnung.“
„Aber du erkennst sie doch
wieder?“
„Klar.“
„Na, dann nichts wie hin.“
Wir gehen runter und steigen
ins Taxi.
* * *
„Hier“, sagt Grainard. „Das ist
die Straße.“
Die Rue Louis-Lenormand ist
sehr ruhig. Der eine Abschnitt ländlich, der andere städtisch. Grainard hält in
dem ländlichen Teil, wo auch die Baustelle ist. Unvermeidlich und überflüssig.
Denn je mehr gebaut wird, desto weniger Wohnungen gibt es.
„Ja, hier ist es“, wiederholt
der Fahrer nickend. „Todsicher. Und... Ja, kann’s nicht beschwören, aber ich
glaube, sie ist aus einem dieser Kästen gekommen.“
Er zeigt auf zwei Villen, die
ziemlich weit auseinanderstehen. „Gut. Fahr weiter. Halte da hinten.“
Er tut, was ich sage. Ich gehe
zu Fuß zurück. Die erste Villa ist offensichtlich bewohnt. Die zweite auch,
aber anscheinend nicht im Moment. Es herrscht die große Stille. Ein ziemlich
alltäglicher Bau mit einer Etage und ausgebautem Dach. Die Fensterläden stehen
offen. Weiße Gardinen hängen vor den geschlossenen Scheiben. Im Vorgarten
stehen zwei herrliche Kastanien. Die Mauer ist efeubewachsen.
Nachdenklich ziehe ich an
meiner Pfeife. Simone kann sowohl aus dem einen wie aus dem anderen Haus
gekommen sein. Sie kann aber auch von ganz woanders hergekommen sein und das
Taxi hier angehalten haben. Nein! Wenn sie die Vorsichtsmaßnahme getroffen hat
— unvorsichtige Vorsicht! ihre Spur zu verwischen, dann doch deshalb, weil ich
nicht wissen sollte, wo sie ins Taxi gestiegen ist. Also ist das hier die
Stelle, die sie mir verheimlichen wollte. Also liegt hier der Schlüssel des
Geheimnisses.
Ich sehe durch das Gittertor in
den Garten. Eine Mischung aus Rasen und Wildwuchs. Ungepflegt und ungefällig.
Auf dem Boden liegt eine Plane, die an den vier Ecken mit Steinen beschwert
ist. Die Fensterläden im Erdgeschoß sind geschlossen. Vergeblich suche ich am
Tor ein Schild mit dem Namen des Besitzers oder der Villa. Nichts. Ich ziehe an
der Kette, die vor meiner Nase baumelt. Im Haus läutet es, aber niemand
reagiert, niemand ist zu sehen.
Da zieh ich lieber an meiner
Pfeife. Zwischen meinen
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