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nmp12

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Titel: nmp12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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zwei Besuchen neulich bei Simone ist das Mädchen
hiergewesen. Entweder wollte sie von unserem ersten Gespräch berichten oder
Instruktionen holen. In diesem Haus müßten nützliche Hinweise zu finden sein.
    Auf der Straße ist weit und
breit niemand zu sehen. Außer Grainard und seinem Taxi. Der wird mich wohl
durchs Rückfenster beobachten. Egal. Zwanzig nach sieben morgens. Völlige
Stille herrscht in dieser ländlichen Gegend. Von der Villa nebenan droht
keinerlei Gefahr. Sehr gut. Das Efeu wird mir
netterweise behilflich sein, über die Mauer zu klettern. Ich hab’s schon in der
Hand, als mir ‘ne Idee kommt. Ich taste nach dem Schlüsselbund, das Lecanut auf
der Achterbahn verloren hat. Hoffentlich hab ich’s bei mir. Hab ich. Ich stecke
den dicken Schlüssel in das Schloß des Gittertores und drehe ihn rum. Man muß
nur auf das Unfaßbare gefaßt sein. Das Tor öffnet sich ohne das geringste
Quietschen. Keinen Mucks gibt es von sich. Wie du schon sagtest, Nestor: In
diesem Haus müßten nützliche Hinweise zu finden sein!
    Ich schließe das Tor hinter
mir. Wenn jemand im Haus ist, würde er sich jetzt melden. Nichts passiert. Der
Kasten steht offensichtlich leer. Ich geh auf die Eingangstür zu.
Abgeschlossen. Aber auch dieses Schloß verhält sich lammfromm, als ich einen
der kleinen Schlüssel aus Lecanuts Sammlung ausprobiere. Vorsichtig mach ich
mich an die Hausdurchsuchung.
    Die Küche ist sauber, wird
selten benutzt. Der Salon ist nett möbliert, ebenfalls sauber, aber nicht
übertrieben. Oft wird hier nicht gewohnt. Das Schlafzimmer ist eine wahre
Augenweide. Wohlduftend und alles. Indirekte Beleuchtung, unaufdringlich und
sinnlich. Samtvorhang vor den geschlossenen Fensterläden. Ein kuscheliges
Liebesnest mit einem gemütlichen Bett — völlig zerwühlt — , einem Schrank
voller Reizwäsche und einem breiten Spiegel an der Wand. Wer hätte das gedacht,
von außen?
    Jetzt die erste Etage. Ziemlich
vernachlässigt, die erste Etage. Ich kann sie vernachlässigen. Scheint fürs
Vernachlässigen geschaffen zu sein, genauso wie das Schlafzimmer fürs
Vergnügen. Ich gehe wieder runter ins Schlafzimmer. Nur so zum Vergnügen.
    Ein sehr hübsches Zimmer. Aber
irgendwas fehlt hier. Ein Badezimmer oder so was. Kann ich mir gar nicht
erklären. So was braucht man doch! Endlich entdecke ich das Badezimmer hinter
einer Tapetentür. Nicht grade riesig. Tageslicht — sehr wenig Tageslicht —
kommt durch ‘ne Art Schießscharte. Ich knipse die Lampe an. Ein sehr hübsches
Bad für ein sehr hübsches Schlafzimmer. Waschbecken, Bidet, Klosett, Badewanne.
Eine sehr hübsche Badewanne.
    Sehr hübsche Beine in der
Wanne. Haben nichts von ihren aufregenden Formen verloren. Aber von dem sehr
hübschen Gesicht ist nicht viel übriggeblieben.
     
    * * *
     
    Mir krampft sich der Magen zusammen.
Zum Glück bin ich in einem Badezimmer.
    Danach geht es mir besser. Ich
beuge mich über die Leiche. Sie ist steif wie ein Brett. Simone Blanchet ist
schon mehr als vierundzwanzig Stunden tot. Kein Zweifel: sie ist es, obwohl man
sie übel zugerichtet hat. Sie trägt das blaue Kleid, das sie neulich auf der
Achterbahn angehabt hat. Aber wie sieht das jetzt aus! Überhaupt nicht mehr
kleidsam, geschweige denn aufreizend enganliegend. Voller geronnenem Blut,
zerrissen. Hier hat wohl ein erbitterter Kampf stattgefunden. Oder man hat es
erst im nachhinein zerfetzt. Gut möglich. Sieht nicht
nach sauberer, präziser Arbeit aus, das Ganze. Eher nach scheußlicher
Schlachterei in unkontrollierbarem Wutanfall. Der Hals der Toten weist Spuren
auf. Sie ist erwürgt worden. Wahrscheinlich ist das die Todesursache. Aber dann
hat sich der Mörder mit einem stumpfen Gegenstand auf sein Opfer gestürzt, so
als genüge ihm der Tod allein nicht. Oder er war wütend über Simones Tod.
Vielleicht wollte er nicht so weit gehen. Hat nicht damit gerechnet, daß sie ihm buchstäblich zwischen den Fingern abkratzte.
    Möchte wissen, was Simone getan
hat, um solch eine Behandlung zu verdienen. Ein Irrtum, eine Dummheit, die
jemandem nicht gefallen hat. Mehr jedenfalls, als dieser Jemand ertragen
konnte. Der Tod ist keine Entschuldigung, wie Jules Vallès sagt. Auch kein
Unschuldsbeweis. Im Gegenteil: der Tod der jungen Frau ist der Beweis dafür,
daß die junge Frau in dem ganzen Durcheinander eine Rolle gespielt hat. Das
beweisen alleine schon ihre Besuche in einer Vorortvilla, zu der Lecanut die
Schlüssel besaß. Eine hochinteressante Person, diese

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