No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
heftige Konkurrenz darstellen werden.
Wie soll das aber funktionieren, wenn es kein Urheberrecht mehr gibt? Zunächst könnte der Text in diverse Reklamebotschaften eingebettet werden. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass die Abnehmer freiwillig bezahlen, wie bei Cory Doctorow: Der Autor hat eine Beziehung zu seinen Lesern aufgebaut, die, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, sein Werk honorieren. Die dritte Möglichkeit besteht darin, Werke frei zur Verfügung zu stellen, aber das würde vor allem wissenschaftliche Schriften betreffen. Wissenschaftler verdienen an ihren Büchern meistens sowieso nichts. Jetzt können sie aber eine größere Verbreitung ihrer Werke erreichen, als sie sich je zu erträumen wagten. Allerdings müsste die Universität oder irgendein Fonds die Kosten für ein Peer-Review, eine Redaktion und so weiter übernehmen.
Unsere Mini-Fallstudien decken verschiedene kulturelle Teilmärkte ab: den Buchmarkt, den Musikmarkt, den Bereich Film und schließlich auch die bildende Kunst sowie verschiedene Designsparten. In manchen dieser Bereiche ist die Digitalisierung schon weit vorangeschritten, in anderen nicht. Der Aufbau unseres Textes folgt im Groben der Unterscheidung zwischen Produktion, Distribution und Rezeption. Wir trennen die einzelnen Phasen jeweils mit einer Leerzeile voneinander.
Bücher
Der Autor schreibt sein Manuskript. Auch in der neuen Marktsituation versucht er, einen Verleger zu finden. Wenn das gelingt, schließen beide Parteien einen Vertrag, in dem die prozentuale Beteiligung abgesprochen wird. Dann macht sich der Verleger an die Arbeit. Er bereitet das Buch für die Veröffentlichung vor und bringt es auf den Markt.
Von nun an hat der Verleger einen Wettbewerbsvorteil. Er bringt das jeweilige Buch als Erster auf den Markt. Dadurch gewinnt er einen substanziellen Zeitvorsprung, innerhalb dessen er seine Kosten wieder hereinholen kann. In der neuen Welt ohne Urheberrecht und ohne Marktbeherrschung ist das Buch allerdings von der Veröffentlichung an gemeinfrei. So sind nun einmal die Spielregeln. Folglich kann im Prinzip jeder andere den Text ebenfalls als Buch publizieren.
Ist diese Befürchtung realistisch? Eher nicht. Die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass ein konkurrierender Verleger sich das Buch aneignet, haben wir bereits im dritten Kapitel behandelt. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, da auch der Markt eine andere Dimension bekommen hat. Nicht nur jener zweite Verleger, sondern zwanzig, dreißig oder vierzig andere könnten auf dieselbe Idee kommen. Unter diesen Umständen drängt es sich nicht gerade auf, ein Buch zum zweiten Mal auf den Markt zu werfen, ohne den Autor um Erlaubnis gebeten und bezahlt zu haben.
Aber angenommen, ein anderer Verleger würde sich nach dem Motto »Frechheit siegt« doch darüber hinwegsetzen. Dann sind verschiedene Reaktionen denkbar.
Zunächst könnte der ursprüngliche Verleger sofort eine neue Ausgabe auf den Markt bringen, zu einem Kampfpreis. Zur Not sogar unter dem Selbstkostenpreis. Damit würde man den Trittbrettfahrer aus dem Markt vertreiben, und weitere potenzielle Nachahmer bekämen ein eindeutiges Signal. Auf Märkten, die von einzelnen großen Konzernen beherrscht werden, stellt diese Art des Widerstands keine echte Alternative dar, für kleine Firmen sowieso nicht, für mittelgroße meist auch nicht. Aber auf unserem normalisierten Markt wäre ein solches Vorgehen durchaus realistisch. Zugegeben, es kann eine organisatorische und finanzielle Kraftprobe werden, aber zumindest muss man nicht gegen ein Riesenunternehmen ankämpfen, das über einen langen Atem, eine große Reichweite und ein enormes organisatorisches Durchsetzungsvermögen verfügt. Denn solche Unternehmen wird es nicht mehr geben.
Folglich hängt nun viel davon ab, ob der erste Verleger die ursprüngliche Auflage realistisch eingeschätzt und gegebenenfalls rechtzeitig nachgedruckt hat. Wenn ja, dann wird für eine Konkurrenz-Ausgabe zum Dumping-Preis ohnehin kaum Platz sein.
Allerdings haben Märkte auch Randbereiche und Nischen. Es ist vorstellbar, dass ein zweiter Verleger in einer solchen Marktnische aktiv ist. Vielleicht kennt er diese Nische wie seine Westentasche, während der ursprüngliche Verleger dort über keinerlei Erfahrung verfügt. Dann kann die Verlockung entstehen, das Buch dort erneut herauszubringen. Vielleicht würde der Konkurrent sich dann auch nonchalant darüber hinwegsetzen, dass er
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