No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
mittlerweile mehr über uns weiß, als uns lieb sein kann.
Es ist mehr als wahrscheinlich, dass das Buch, wie wir es seit Jahrhunderten kennen, sich durch die Digitalisierung stark verändern wird. Natürlich werden weiter Geschichten erzählt und Gedichte geschrieben werden. Der festen Form eines gedruckten Buchs bedarf es dafür aber nicht mehr. Gut vorstellbar ist zum Beispiel, dass Autoren Texte im Serienformat auf ihren Webseiten einstellen. Die Leser könnten dann jeweils einen kleinen Geldbetrag pro Abschnitt entrichten. Nach Lektüre würden sie voller Ungeduld auf die nächste Folge warten. Das Genre des Fortsetzungsromans war auch im 19. Jahrhundert schon verbreitet. Wichtig ist hier, dass ein gut funktionierendes Bezahlsystem zur Verfügung steht, bei dem kleinere Beträge ohne nennenswerte Zusatzkosten verwalten werden können. Auch interaktives Schreiben wird möglich. Der Autor kann sein Buch, wenn er möchte, von Zeit zu Zeit überarbeiten. Oder wie wäre es mit einer Kombination von Text, Musik und Bild?
In Frankreich gibt es ein Netzwerk unabhängiger Buchhändler, die ein digitales Vertriebssystem aufgebaut haben ( www.1001librairies.com , in Le Monde , 13.5.2011). Das ist zumindest ein deutliches Anzeichen dafür, dass auch die Buchhändler sich nicht nur als Verlierer des Digitalzeitalters sehen. Ein nächster Schritt könnte darin bestehen, Print on demand anzubieten. Das hätte viele Vorteile.
Ein Buchladen kann per definitionem nur eine begrenzte Menge an Büchern in den Regalen stehen haben. Außerdem stellt sich immer die Frage, wie lange der Händler sie vorrätig halten kann, denn Lager kosten Geld, und ältere Bücher nehmen neueren den Platz weg. Mit Print on demand wären hingegen alle Bücher der Welt auf Anhieb lieferbar. Auch bräuchten Buchhändler keine großen Stapel mehr zu bestellen, um sicherzugehen, dass sie ein bestimmtes Buch, wenn es ein Erfolg wird, auch tatsächlich dahaben. Heutzutage wird alles geschreddert, was nicht verkauft wird. Ökologisch betrachtet, ist die nicht geringe Überproduktion von Büchern der reine Wahnsinn. Print on demand hingegen kann nahe beim Kunden stattfinden. So kann der Buchhändler vor Ort auch zum Dienstleister für die Bewohner des Viertels werden. Viele Menschen möchten der Welt vielleicht auch gern mal ein selbstverfasstes Buch schenken; man denke an Familienchroniken, Gedichte, Romane ... – es wird heutzutage enorm viel geschrieben. Der Vorteil von Print on demand ist, dass genau die gewünschte Anzahl von Exemplaren gedruckt werden kann. Buchhändler müssten dann allerdings zusehen, dass sie ihren Kunden irgendein Plus anbieten, das bei Internetdienstleistern mit vergleichbaren Angeboten nicht zu bekommen ist.
Zum Glück sind wir noch nicht so weit, dass wir alle nur noch auf Englisch oder Chinesisch kommunizieren. Sprachenvielfalt ist ein hohes Gut. Für Verleger liegt in der Mehrsprachigkeit unserer Welt eine große Chance. Sie können das Ideengut, das sich in anderen Sprachkulturen entwickelt hat, der einheimischen Leserschaft zugänglich machen und zudem ihre Programme mit interessanten Autoren aus aller Welt schmücken. Übersetzungen waren aber auch schon immer eine nicht zu unterschätzende finanzielle Herausforderung. Bei einem berühmten Autor könnten diese Kosten mit hohen Umsätzen wieder hereingeholt werden. Die Übersetzungen weniger bekannter Schriftsteller werden hingegen meist subventioniert, um den Autoren den Sprung in eine andere Sprachkultur überhaupt zu ermöglichen. Wie soll das in Zukunft gehen, wenn es kein Urheberrecht mehr gibt, die Marktdominanz einzelner Verlagskonzerne dahin ist und die Digitalisierung des Schreibens und Publizierens richtig in Gang gekommen ist?
Um diese Frage beantworten zu können, wenden wir uns zunächst noch einmal dem Schriftsteller zu. Im Digitalzeitalter braucht ein Autor nicht mehr unbedingt einen Verlag, um sein Werk auf den Markt zu bringen. Er kann diesen Weg gehen, und manchmal gibt es gute Gründe dafür, aber es ist keine zwingende Notwendigkeit. Die Redaktion und die grafische Gestaltung eines Buchs kann man auch selbst organisieren. Das fertige Buch kann man dann über eine Webseite anbieten: direkt zum Download, indem man auf die Druckfassung hinweist, oder beides.
Für Übersetzungen gilt unter neuen Marktbedingungen grundsätzlich dasselbe wie für Bücher aus dem eigenen Sprachraum: Dass ein konkurrierender Verleger sich das Werk unter den Nagel reißt, ist
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