no_way_out (German Edition)
redete, in den Schädel wollte es mir trotzdem nicht. Es konnte doch kein Ziel sein, ein Land explodieren zu lassen! Das ergab nun wirklich keinen Sinn.
»Für mich klingt das wie eine Revolution der Anzugträger«, sagte ich. »Was hätten die denn davon?«
»Einfluss. Macht. Die Möglichkeit, den politischen Kurs eines Landes zu ändern.«
Margot und ihre Leute mussten sich da in etwas verrannt haben. Ich ahnte den Grund dafür. »War Leon auch ein Trigger?«, fragte ich.
Margot wusste, worauf die Frage hinauslief. Ich sah es ihr an. Sie wich ihr trotzdem nicht aus. »Ja, Leon war ein Trigger, einer der ersten.«
Darum ging es also. Margot war eine Mutter, die nicht damit klarkam, dass ihr Sohn über die Kante gegangen war. Aus was für Gründen auch immer. Und nun bastelte sie sich aus ein paar Verschwörungselementen eine Entschuldigung für ihn zusammen.
»Es ist nicht, wie du denkst«, sagte sie. »Ich weiß, warum Leon abgestürzt ist. Ich bin niemand, der beschönigt, und ich gehöre nicht zu den Müttern, die behaupten, ihr Kind würde nie etwas Schlechtes tun. Dazu kenne ich das Leben zu gut. Leon ist kein unschuldiger junger Mann, er war sogar am Tatort, aber das, was ihm die Polizei vorwirft, hat er nicht getan. Deshalb habe ich die Bewegung Gerechtigkeit für Leon gegründet. Wir sind dabei auf weitere Fälle wie seinen gestoßen und …«
Bevor sie mir nun auch noch alles über diese Leon-Gruppe erzählte, unterbrach ich sie.
»Ich bin also der neuste Trigger. Ich war am Tatort, weil jemand wollte, dass ich dort war. Habe ich das richtig verstanden?«
»Wir sind ziemlich sicher. Jakob Linder ist Mitglied beim BtN, er ist Verwaltungsratspräsident der Klinik Wiesenau, in der du an einem medizinischen Versuch teilgenommen hast, und er leitet die Firma des Exmannes seiner ermordeten Frau, eine Hightechfirma, in der unter anderem Chips hergestellt werden.«
»Diese Dinger, von denen Sie glauben, ich habe einen in mir?«
»Es passt alles zusammen. Sämtliche Beschuldigten, die unsere Bewegung für unschuldig hält, sind tatsächlich an den Tatorten gewesen. Das hat uns stutzig gemacht. Wir haben herausgefunden, dass jeder dieser Beschuldigten an medizinischen Versuchen der Klinik Wiesenau teilgenommen hat. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat man ihnen dort Chips eingesetzt, mit denen sie jederzeit lokalisiert werden konnten, denn wer immer den Beschuldigten die Taten angehängt hat, wusste genau, wo sie sich aufhielten oder aufgehalten hatten.«
Auf eine total kranke Art passte alles zusammen. Ich war der perfekte Außenseiter. Jake hatte gewusst, wo er mich ohne Zeugen anfahren konnte. Ich war am Tatort gewesen. Es gab jede Menge Beweise gegen mich. Ich war unschuldig.
»Sie meinen wirklich, ein paar durchgeknallte Typen mit einem ziemlich schrägen Blickwinkel auf die Welt können ungestört Verbrechen begehen, für die man sie nie drankriegen wird?«, fragte ich fassungslos. »Bis hin zum Mord?«
»Ja.« Die Art, wie sie das sagte, ließ mich frieren. »In vielen Fällen geht es nicht nur um das Spiel mit dem Feuer, sondern es steckt handfestes Eigeninteresse dahinter.«
Das konnte sie laut sagen. Ich glaubte nicht, dass es Jake interessierte, ob das Land explodierte oder nicht. Er musste einfach ein paar Leute loswerden. Wie praktisch, wenn man da gleich eine geheime Truppe an der Hand hatte, die das erledigte. Jakes Männer! In mir stieg die Wut auf. Ich steckte in der Scheiße, weil da etwas lief, das man schon längst hätte bremsen müssen. »Sie hätten zur Polizei gehen sollen!«
»Was meinst du, was wir getan haben?« Margot packte die Schale mit all dem gruseligen Abfall, der nach meiner Behandlung zurückgeblieben war, und trug sie hinüber zu einer Ablagefläche. In einer müden Bewegung streifte sie ihre Handschuhe ab. »Die haben mir nicht geglaubt. Nicht ohne Beweise. Ich bin für die eine Mutter, die nicht akzeptieren kann, dass ihr Sohn ein Krimineller ist. Eine Spinnerin, die eine ganze Bewegung gründet und damit an die Öffentlichkeit geht. Für die Leute da draußen sind wir Verschwörungstheoretiker. Oder linke Sozialromantiker. Oder beides.«
Mit solchen Zuweisungen konnte man alles abwürgen. Solange eine Mehrheit diese Begriffe übernahm und daran glaubte, würde niemand hinschauen und niemand etwas untersuchen. So funktionierte die Welt. Die Leute wollten ihren Frieden. Ihre Ordnung. Alles andere störte. Das wusste ich aus Erfahrung. Aber ich war ein Freak.
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