no_way_out (German Edition)
ein bisschen mit und klicken Gefällt-mir -Buttons. Aber da irren sie sich gewaltig.« Jasper hatte sich so richtig in Fahrt geredet und legte nun eine Pause ein, um ein paar Flocken in sich reinzuschaufeln. Nach wenigen Bissen richtete er den Löffel auf mich. »Nehmen wir euch als Beispiel.«
»Uns?«
»Dich und Smiley.«
Jasper stellte unsere Schalen beiseite und schob das Tablet zwischen uns. »Schon mal mit so einem im Netz gesurft?«, fragte er mich.
»Ja. Ist aber eine Weile her.«
»Okay, dann pass mal auf.«
Smiley und ich waren die Schlagzeilen aller Online-Zeitungen. Jasper wischte nur schnell in die Artikel rein und dann gleich wieder raus und schon waren wir in Twitter. Er erklärte mir, dass wir dort unsere eigenen Hashtags hatten. Ich wusste nicht, was Hashtags waren. Jasper zeigte es mir. #Brückenspringer. #stand_your_ground. #Linder_Killer. #no_way_out. Und ganz neu #toteHelden. Unter jedem dieser Stichwörter fanden sich Hunderte von Tweets, auch das ein Wort, das ich erst einmal kennenlernen musste. Es gab Fangruppen für Smiley und mich. Brückenspringer nannten sie uns. Und dann gab es die Hassgruppen, in denen Gift und Galle gespuckt wurde.
Da draußen, in der richtigen Welt, waren Smiley und ich alleine gewesen, aber im Netz tummelten sich Tausende, die auf irgendeine Art an unserem Leben teilnahmen. Wir waren ihr Unterhaltungsprogramm, ein netter Nervenkitzel, vielleicht würde jemand sogar ein T-Shirt mit uns drauf drucken, mit einem coolen Spruch, und dann würden sie weiterziehen, einer neuen Sensation nach, und die T-Shirts im Altkleidercontainer entsorgen.
»Das letzte Nacht, das war nicht Internet«, sagte ich zu Jasper. »Das war echt. Wenn Smiley und ich bei euch auffliegen, bekommt ihr eine Menge Schwierigkeiten.«
Jasper sah mich an, als warte er auf eine Frage.
»Warum tut ihr das?«
Er musste keine Sekunde darüber nachdenken. »Weil es endlich aufhören muss«, schoss es aus ihm heraus. »Weil die falschen Leute gejagt werden. Weil zu viele Unschuldige im Gefängnis sitzen. Weil wir alles verlieren, was uns in diesem Land einmal wichtig war. Respekt vor dem anderen, Toleranz, Mitgefühl, Gerechtigkeit, einfach alles.«
Falls ihn die Bullen für diese Sache nicht einbuchteten, würde er irgendwann Politiker werden. Na ja, wahrscheinlich auch, wenn sie ihn drankriegten. Jasper hatte so ein Feuer in sich, das Feuer von jemandem, der an seine Sache glaubt.
»Du denkst also, dass ich unschuldig bin«, sagte ich.
»Klar. Du bist ein Trigger, genau wie Leon und die anderen. Man hat dich reingelegt. Alles wurde genau geplant und durchgezogen, mit dir als Bauernopfer, der klassische Set-up. Du hältst deinen Kopf für einen anderen hin. Du wirst benutzt und missbraucht, um soziale Unruhen zu schüren, die das System erschüttern sollen. Damit ein paar engstirnige Vollidioten den Weg zu einem Staat und einer Gesellschaft ebnen, in der nur noch das Normierte Platz hat.« Jasper sprang auf. »Es muss einen Weg geben, diesen Wahnsinn zu stoppen! Es muss diesen Weg einfach geben!«
Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn er die Faust in die Höhe gereckt hätte, aber stattdessen fuhr er sich mit der Hand über die Augen und zum ersten Mal bemerkte ich, wie erschöpft er war.
»Hör zu«, sagte er. »Ich muss gleich los. Das Tablet lass ich dir hier, den Laptop nehme ich mit.«
»Wohin gehst du?«, fragte ich.
»Uni«, antwortete er. »Wir müssen uns so normal wie möglich verhalten. Je weniger Johanna und ich unseren Alltag verändern, desto weniger Verdacht schöpft die Polizei. Bleibt von den Fenstern weg, macht keinen Lärm und bewegt euch möglichst wenig.«
»Warte!«, bat ich. »Gibt’s im Internet auch was über die Gruppen, die für diesen Bund die Drecksarbeit machen?«
»Nichts Konkretes.« Er klang frustriert. »Offiziell gibt es sie nicht. Außer in kruden Verschwörungsforen wirst du nirgends etwas über sie finden, auch nicht auf unseren Plattformen. Zu gefährlich.«
»Wieso wisst ihr dann, dass es sie gibt?«
»Ex-Mitglieder, die sich an uns gewandt haben. Eltern, die wissen oder vermuten, dass ihre Kinder dabei sind. Keiner von ihnen hat je eine offizielle Aussage gemacht. Sie werden massiv unter Druck gesetzt.« Jasper schaute auf die Uhr an der Wand. »Ich muss jetzt wirklich los.«
Halb acht. Ich hatte immer gedacht, Studenten hätten ein lockeres Leben mit Ausschlafen und so. »Und Johanna?«, fragte ich.
»Hat heute später Unterricht. Frag
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