Noah & Echo - Liebe kennt keine Grenzen
wissen Sie, was mein Vater gemacht hat, Mrs Collins? Er hat sie behandelt wie einen Serienkiller. Sie musste Spießruten laufen, um uns sehen zu dürfen. Er erlaubte ihr nie einen Besuch, wenn er nicht zu hundert Prozent sicher war, dass sie psychisch stabil war. Und jetzt sag mir,
Dad
, warum hast du mich dort gelassen?«
»Weil ich es eilig hatte und nicht überprüfte, wie es ihr ging, als ich dich absetzte.« Zum ersten Mal wagte mein Vater, mir in die Augen zu sehen, und ich erkannte die Wahrheit. »Ich wollte ja nur eine Viertelstunde weg sein, allerhöchstens eine halbe.«
»Habe ich angerufen?« Weil ich das ganz bestimmt getan hätte. In den sechzehn Jahren mit den Hochs und Tiefs meiner Mutter hatte ich gelernt, dass ein Besuch, wenn sie ihre Medikamente nicht genommen hatte, nur unter Aufsicht eines Erwachsenen stattfinden durfte.
Er schaute wieder weg. »Ja.«
Die Last seiner Antwort erdrückte mich fast. »Bist du rangegangen?«
Mein Vater schob die Hände in die Taschen und schloss die Augen.
Ich Idiot. Was war ich bloß für ein Idiot. Niemand liebte mich. Und egal, was ich tat oder sagte, nichts würde sich je daran ändern. Mein Vater gab das Kommando, zu springen, und ich fragte, ob ich dazu ein Trampolin brauchte. Das war keine Liebe. Das war Kontrolle. Dad hatte sich für Ashley entschieden, und Aires für die Marines. Noah hatte mir noch immer nicht gesagt, dass er mich liebte, obwohl ich es zu ihm gesagt hatte.
Ich hatte immer gedacht, meinem Vater läge so viel an mir. Schließlich war ich ihm wichtig genug, dass er versuchte, jeden Aspekt meines Lebens zu kontrollieren. Und ich ließ ihn. Ich ließ ihn, weil ich ihn liebte und mir so verzweifelt wünschte, dass er diese Liebe erwiderte. Aber ich hatte komplett danebengelegen. Ihm lag nicht mal so viel an mir, dass er ans Telefon ging. Schon bevor meine Mutter Hand an mich legte, war ich nicht liebenswert.
Ich rauschte an ihm vorbei und holte meine Sachen aus Mrs Collins’ Büro.
»Es tut mir leid.« Mein Vater versperrte mir den Weg. Ich ignorierte den heiseren Tonfall, ging um ihn herum und eilte den Gang hinunter. Ich war fertig mit ihm und seiner Kontrolle.
[zurück]
Noah
Ich hätte bleiben sollen. Wäre es umgekehrt gewesen, sie hätte auf mich gewartet. Aber ich wollte unbedingt meine Brüder sehen. Sobald sie mich anrief, würde ich losfahren, um sie zu treffen.
Eine Neubausiedlung aus großen, geräumigen Häusern rings um einen großen Park – das ganze Programm mit Spazierwegen, Bäumen, Sträuchern, Bänken und dem größten Spielplatz auf dem Planeten.
Die Kinder kamen aus einem blauen, dreistöckigen Haus gerannt. Mein Dad hätte es großartig gefunden: Second-Empire-Stil mit Mansardendach, Dachgauben, quadratischem Turm. Ich weiß noch, wie er, als er mir Bilder davon zeigte, lachend sagte: »So wie in
Susi und Strolch
, Noah.«
Als die Jungs näher kamen, erkannte ich Moms Lächeln. Die beiden kraxelten das Klettergerüst hinauf bis zur größten Rutsche. Jacob blieb mehrfach stehen, um seinem kleineren Bruder, der sich mit der Kletterei anstrengen musste, zu helfen.
Ich stieg aus dem Auto, setzte mich auf eine Bank ein gutes Stück vom Spielplatz weg und sah meinen Brüdern zu. Es tat so weh. Sie waren so nah, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als bei ihnen zu sein. Ich zog mein Handy heraus. Deshalb war ich schließlich hergekommen – um zu beweisen, dass Carrie und Joe keine guten Eltern waren.
Wo zum Teufel steckten sie überhaupt? Jacob war erst acht, Tyler noch nicht mal fünf. Sollte nicht jemand auf sie aufpassen? Ich hob das Handy, um ein Foto von den beiden zu machen, als mich plötzlich eine Stimme überraschte. »Ein Stück weiter rechts. Sie sitzt auf der Bank unter dem Ahorn.«
Mrs Collins setzte sich neben mich. Und tatsächlich, auf einer Bank unter einem Baum saß Carrie und ließ meine beiden Brüder nicht aus den Augen. Ich schob mein Handy wieder in die Tasche.
»Sie rutschen gern, deine Brüder. Könnten stundenlang immer wieder raufsteigen und herunterrutschen.«
Wir saßen schweigend nebeneinander und lauschten dem Lachen meiner Brüder, das zu uns herüberschallte. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ich meinen Hals aus dieser Schlinge ziehen sollte. Schweigen: die letzte Verteidigungslinie der Schuldigen.
»Und, habt ihr beide die ganze Zeit zusammengearbeitet, oder hast du einfach die Gelegenheit ergriffen, als sie sich bot?«
Ich konnte es ja mal mit Leugnen
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