Noah: Thriller (German Edition)
UNO, das Europaparlament, den Sicherheitsrat. Es gibt nur eine einzige schlagkräftige Weltregierung, doch die ist nicht so dumm, sich dem Willen des Volkes zu unterwerfen.«
Auch das kam Noah bekannt vor.
Brahms machte eine Pause und ergänzte: »Das waren Ihre eigenen Worte. Erinnern Sie sich wirklich nicht?«
Noah schüttelte den Kopf, während er im Schritttempo unter einer Bahnunterführung durchfuhr.
»Aber dass Room 17 so etwas wie eine von den Bilderbergern abgespaltete, und jetzt nicht mehr zu kontrollierende Armee ist, wissen Sie schon?«
»Ich habe davon gehört.«
Ohne den Blinker zu setzen, bog er, um dem Stau zu entgehen, direkt hinter der Unterführung auf einen geteerten Wirtschaftsweg, der zwei hügelige Felder teilte. Sofort versuchte das Navi, eine neue Route zu berechnen.
»Sie sind die Radikalsten unter den Radikalen«, erklärte Brahms. Das Sprechen schien ihm gutzutun. Die Unsicherheit vom Beginn ihrer Unterhaltung war kaum noch zu hören.
»Ihre Ziele haben nichts mit denen des Club of Rome zu tun. Auch nicht mehr mit denen der Bilderberger. Room 17 will eine Weltordnung schaffen, in der die reichen Wirtschaftsnationen ihr Leben auf Kosten der Unterprivilegierten fortführen können. Wenn die Industrienationen der westlichen Welt so weiterleben wie bisher, erleben wir selbst nach konservativen Hochrechnungen 2052 den totalen Zusammenbruch. Das Öl ist versiegt, die Erde um mehr als vier Grad erhitzt, das Leben in den Großstädten wegen der Umweltverschmutzung kaum mehr möglich.«
So routiniert, wie Brahms mittlerweile klang, schien er diesen Vortrag schon oft gehalten zu haben – zumindest gedanklich vor einem imaginären Publikum. Nur ein leichtes Zittern hie und da am Wortende und einige übertriebene Betonungen verrieten, wie nervös er war – und wie sehr ihm das, was er zu sagen hatte, auf der Seele brannte.
»Schon jetzt stoßen wir jedes Jahr doppelt so viele Mengen Treibhausgase aus, wie Wälder und Meere absorbieren können. Schon heute kosten uns die Wirbelstürme, die Hochwasserfluten und Erdrutsche mehr Geld, als wir mit der Ausbeutung der Rohstoffe verdienen. Und schon heute leiden eine Milliarde Menschen unter Trinkwasserknappheit, während jeder Amerikaner pro Tag achttausend Liter verbraucht. Das sind Ihre Zahlen, David. Die Fakten kann jeder im Internet nachlesen, trotzdem weiß ich erst seit unserem Gespräch, dass die Herstellung eines einzigen Kilogramms Schweinefleisch zehntausend Liter Wasser verbraucht. Und in China sind sie erst auf den Geschmack gekommen. Wenn alle so leben würden wie die Amerikaner und Europäer, hätten wir schon heute nicht mehr genügend Wasser zur Verfügung, um die Ackerflächen der Erde zu bewirtschaften. Wie soll es da erst 2050 aussehen, wenn wir neun Milliarden ernähren müssen?«
Noah, der in nördlicher Richtung fuhr und laut Kompass direkt auf den noch vier Kilometer entfernten Sportflughafen zusteuerte, sagte: »Es muss doch eine andere Möglichkeit geben, die Katastrophe zu vermeiden, außer einem weltweiten Massenmord.«
Brahms lachte. »Oh, natürlich gibt es die. Wir könnten verzichten: auf Massentierhaltung und Fastfood, auf schnelle Autos, Billigflieger und Massentourismus, auf Mineralwässer, die mit Dieselschiffen um den ganzen Globus gekarrt werden, auf Internetbestellungen, die schon am nächsten Tag in unserem Briefkasten liegen, portofrei, obwohl Transport und Verpackung die Umwelt belasten, meist doppelt, weil man sich gleich drei Paar Schuhe bestellt hat mit der festen Absicht, zwei davon wieder zurückzuschicken. Kurz: Wir könnten auf das unkontrollierte Wirtschaftswachstum verzichten. Würden wir alle so leben wie die Indianer in den Urwäldern am Amazonas, deren Lebensraum wir gerade wegholzen, um auf das verödete Ackerland Rinder zu stellen, die wir zu Hundefutter verarbeiten, dann gäbe es auf unserem Planeten für weitere neun Milliarden Platz, ohne dass auch nur ein einziges Atomkraftwerk gebaut werden müsste.«
»Aber das will niemand«, flüsterte Noah.
Celine schüttelte ungläubig den Kopf. Noah fragte sich, ob auch sie gegen das Bild von meterhohen Leichenbergen ankämpfen musste, die sich infolge einer Masseneuthanasie an den Straßenrändern türmten.
»Niemand in der westlichen Welt. Ganz im Gegenteil: Als in Deutschland vor Jahren das Wirtschaftswachstum zu sinken drohte, forderte die damalige Kanzlerin die Bevölkerung dazu auf, ihre noch fahrtüchtigen Autos in die
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