Noah: Thriller (German Edition)
das letzte Mal länger als vier Stunden geschlafen hatte.
»Schön und gut«, hörte sie Jay sagen, der die Lust daran verloren hatte, sich das Blut aus dem Gesicht zu waschen. »Die Ärzte sind also zurück. Doch wie zum Teufel sollen wir es zu ihnen schaffen, ohne erschossen zu werden?«
»Wir müssen durch die Grube«, sagte Marlon.
Die Grube? Nein! »Du bist wohl verrückt geworden«, protestierte Alicia. »Das kannst du unmöglich ernst meinen.«
Nicht im Traum steige ich da runter.
»Doch«, sagte Marlon und sah abwechselnd zu Jay und zu Alicia. »Ich weiß, es klingt nach einem Selbstmordkommando, aber ich kenn mich da unten aus. Wir können es schaffen.«
Er schlug sich in die Hände, dass die Kerzenflamme flackerte.
»Wir müssen nur irgendwo eine Taschenlampe auftreiben.«
25. Kapitel
Oosterbeek, Niederlande
»Hallo?«
Ein einziges, mühsam herausgepresstes Wort, und Noah wusste, wie der verängstigte Anrufer sich fühlte. Der Mann klang wie ein Kind, das zum ersten Mal allein zu Hause ist und plötzlich Geräusche im Keller hört.
»Ist da jemand?«
Noah ahnte, wie sehr der Unbekannte sich fürchtete, eine Antwort auf seine Frage zu bekommen.
Noah saß auf dem Fahrersitz des Transporters und jagte ihn mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit den engen Waldweg auf die Ausfahrt zur Landstraße zu. Die Leichen von Ambers Schergen hatte er zuvor von der Ladefläche gezogen und unter der Kiefer abgelegt.
»Pass auf!«, schrie Celine, als er mit schleifender Bremse von der Ausfahrt auf die Landstraße schoss.
Sie saß neben ihm auf dem Beifahrersitz, Oscar hielt Altmann hinten auf den Bänken im Frachtraum mit einer Pistole in Schach. Eine vermutlich unnötige Sicherheitsvorkehrung in Anbetracht der Tatsache, dass der Auftragskiller es ohne fremde Hilfe kaum bis zum Fahrzeug geschafft hatte.
»Wer sind Sie?«, fragte Noah den Anrufer, dessen im Display angezeigte Nummer mit +3906 begonnen hatte. Es war schon der zweite Versuch. Beim ersten war Noah nicht drangegangen. Erst hatte er der Ursache des Schusses auf den Grund gehen müssen. Er war nicht, wie zuerst vermutet, von Altmanns angekündigter Ablösung, sondern von dem Alten im Quarantänebereich abgegeben worden. Noah hatte sich von seinem Freitod überzeugt und aus einem Impuls heraus die beiden am Boden liegenden Schutzanzüge in eine Plastiktüte gesteckt und mitgenommen. Dann hatten sie den Bungalow verlassen.
»Mein Name ist Kilian Brahms«, beantwortete der Anrufer Noahs Frage. Er klang verstört. »Wieso gehen Sie an sein Telefon?«
»An wessen Telefon?«
Noah trat auf die Bremse und brachte den Transporter mitten auf der Straße zum Stehen. Vor ihnen erstreckte sich ein Kilometer freie Strecke, aber hinter einem Hügel erleuchteten blitzlichtartige Lichter den Himmel.
Sie sperren die Straße ab.
»Und wieso verstellen Sie Ihre Stimme? Wollen Sie so klingen wie er?«
»Wie wer?«, fragte Noah.
Der Mann hustete. »Wie David Morten. Haben Sie ihn ermordet?«
»Nein.«
Noah sah auf das Display des Navigationssystems. Celine hatte sich an den Namen des Flughafens erinnert, wo der Jet stand, mit dem sie entführt worden war, und der Computer hatte die kürzeste Strecke berechnet. Leider schien sie über eine von der Polizei oder gar dem Militär abgeriegelte Route zu führen.
Er legte den Rückwärtsgang ein. Wenn er sich recht erinnerte, hatten sie vor zweihundert Metern einen Abzweig zu einem Waldweg passiert.
»Woher wissen Sie, dass er tot ist?«, fragte Noah, das Handy zwischen Schulter und Kinn eingeklemmt, mit Blick in den rechten Außenspiegel.
»Ich hab gesehen, wie er starb. In dem Hotel.«
»Sie waren im Adlon?«
»Ich leg jetzt besser auf, bevor …«
Noah hatte vor dem Abzweig gestoppt und lenkte in den Wald. Das Navigationsgerät erkannte den Strich auf der Karte, warnte aber davor, dass sie das Streckennetz verlassen würden.
»Hallo? Sind Sie noch dran?«, fragte Noah.
Aus dem Telefon hörte er ein Surren in der Leitung, dann eine Stimme im Hintergrund, die irgendetwas in einer ihm fremden Sprache (Spanisch? Italienisch?) zu dem Mann sagte, der sich nach einem kurzen Rascheln wieder zurückmeldete.
»Okay, passen Sie gut auf …«
Noah hörte Kilian Brahms etwa eine Minute dabei zu, wie der Mann ihm Anweisungen gab, die er selbst offenbar gerade erst erhalten hatte. Ohne ein weiteres Wort drückte Noah das Gespräch daraufhin weg.
»Wer war das?«, fragte Celine, eine Hand am Gurt, die andere an
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