Noah: Thriller (German Edition)
Pistole ab. Und während die Motorengeräusche hinter ihm immer näher kamen, flammte nur wenige Sekunden später, von den Schüssen alarmiert, in ihrer Laufrichtung ein Suchscheinwerfer auf. Sein Licht erfasste das ungleiche Paar, den hageren Altmann vorneweg und Oscar, der, eine Hand beim Laufen in die Seite gepresst, einige Meter hinterherstolperte.
Wie verabredet. Auf das Boot zu.
Noah feuerte einen zweiten Schuss in den sternenklaren Nachthimmel. Celine neben ihm keuchte, aber sie hatte keine Mühe, den Anschluss zu halten, obwohl sie nach dem langen, ununterbrochenen Sitzen im Flieger bestimmt genauso wackelig auf den Beinen war wie er selbst.
»Es geht schief«, sagte Celine, ohne ihr Tempo zu verringern. Noah konnte ihr insgeheim nur zustimmen, als er sah, wie sich die Dinge entwickelten.
Altmann und Oscar waren stehen geblieben, nur wenige Meter von einem jetzt illuminierten Steg entfernt, an dem ein mittelgroßes Polizeiboot mit weißem Rumpf lag, mit einem Suchscheinwerfer auf dem Dach eines dunklen Hartschalenverdecks.
Zwei Männer hatten sich den beiden in den Weg gestellt.
In ihren dunklen Uniformen und den schwarzen Mützen sahen sie einander zum Verwechseln ähnlich. Beide hatten ein schmales, kantiges Gesicht, beide blutjung, wie Noah sah, als sie nahe genug dafür waren. Nur in der Bewaffnung unterschieden sie sich. Einer der beiden Carabinieri trug ein Maschinengewehr. Der andere schien lediglich mit einem Funkgerät ausgerüstet, das er von seinem weißen Schultergurt abgenommen hatte und aus dem für Noah ebenso unverständliche Worte lärmten wie die, die der Beamte mit der Waffe ihm an den Kopf brüllte.
Ich verstehe kein Italienisch , schoss es ihm durch den Kopf.
»Nicht anfassen«, warnte Noah die Männer daher auf Englisch und fügte ein einziges, abschreckendes Wort hinzu, das mittlerweile auf jedem Kontinent der Welt verstanden wurde: »Manila.«
Als die jungen Carabinieri Altmanns blutverschmiertes Gesicht und kurz darauf Noah und Celine in weißen Schutzanzügen hinter den Flüchtenden auftauchen sahen, zogen sie exakt die Schlüsse, die Noah hatte provozieren wollen:
»Sie werden euch für entlaufene Patienten aus dem Flugzeug halten und uns für die Vorhut der Einsatztruppe, die sie mit Blaulicht von hinten anpreschen sehen« , hatte Noah den anderen prophezeit – und recht behalten.
Er hatte weiter darauf gehofft, dass sich die Polizisten nicht anstecken wollten und zur Seite traten, sobald sie Altmann und Oscar direkt auf sich zukommen sahen. Doch diese Rechnung ging nicht auf. Die Beamten wirkten nervös, aber entschlossen, niemanden an sich vorbeizulassen.
»Wir sind von der US-Gesundheitsbehörde«, sagte Noah zu dem Träger des Maschinengewehrs, der abwechselnd auf Oscar und Altmann zielte. »Gehen Sie sofort aus dem Weg, und lassen Sie uns unsere Arbeit machen.« Er zeigte auf Oscar und Altmann. »Wir kümmern uns um die Kranken.«
Der Mann mit dem Maschinengewehr zuckte verständnislos mit den Achseln, dafür schien sein Kollege der englischen Sprache mächtig zu sein. Mit starkem Akzent, aber einwandfreier Grammatik antwortete er mit kurzem Blick zu Oscar und Altmann: »Wir haben Anweisungen, Sie alle festzunehmen.«
Immerhin kein Schießbefehl.
»Was meinen Sie mit ›alle‹? Uns etwa auch?« Er zeigte auf sich selbst. Der Carabiniere nickte.
Noah sah, wie Altmann sich mit dem Unterarm die Nase abwischte. Nur Oscar hielt mit ängstlich angestrengtem Gesichtsausdruck die Arme hoch.
»Hören Sie!«, versuchte Noah es wieder auf Englisch. Der unbewaffnete Carabiniere hob abwehrend die Hand und wollte gerade einen ankommenden Funkspruch annehmen, als zwei Schüsse fielen.
Im ersten Impuls hatte Noah sich umdrehen wollen, obwohl es eindeutig war, dass der Angriff nicht von hinten kam.
Zu laut, zu nah waren die Pistolenkugeln abgefeuert worden.
Die erste hatte den bewaffneten Carabiniere niedergestreckt. Die zweite schien den jungen Mann mit dem Funkgerät direkt in den Hinterkopf getroffen zu haben. Er wankte noch kurz, dann – während ihm bereits Blut aus dem Mund trat – kippte er nach vorne. Noah musste ausweichen, sonst wäre der Tote auf ihn gekippt.
Oscar und Celine schrien gleichzeitig auf. Beide starrten zu Altmann, der auf einmal eine kleine Pistole in der Hand hielt.
»Was haben Sie getan?«, brüllte Celine.
»Das Richtige«, antwortete Altmann knapp und sah zu Noah. Ihre Blicke trafen sich nur für die Zeitspanne eines
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