Noah: Thriller (German Edition)
verirren. Nicht von Ratten gebissen werden. Uns nicht den Tod holen …
»Wer sagt uns, dass die Ärzte da draußen uns helfen?«
Ganz ohne Geld.
»Los, Mama, wir haben keine Wahl.«
Jay griff mit beiden Händen nach der obersten Strebe und schwang sich in den Schacht.
Auch Marlon bedrängte sie: »Komm mit uns. Oder willst du untätig zusehen, wie Noel stirbt? Wenn wir erst einmal das Worldsaver-Zelt erreicht haben, wird sich dort sicher auch jemand um dein Baby kümmern. Bei der letzten Impfung haben sie ja auch keinen Peso verlangt.«
Alicia blinzelte die Tränen weg und sah, wie der Kopf ihres siebenjährigen Sohnes im Schacht verschwand. Marlon nickte ihr noch ein letztes Mal zu, dann verschwand auch er in dem Loch.
Lieber Gott, verzeih mir. Was immer ich auch getan haben mag.
Alicia schloss die Augen und sprach ein stummes Gebet. Dabei wickelte sie Jays T-Shirt um Mund und Nase von Noel, der unter den Streifen der Plastiktüte, mit denen sie ihn vor der Brust trug, keinen Laut mehr von sich gab.
Es tut mir so leid, dachte sie und weinte, weil ihr die Sünde nicht einfallen wollte, für die sie so hart bestraft wurde.
Sie hielt die Luft an.
Dann stieg auch sie hinab in die nach Tod und Verwesung riechende Dunkelheit.
3. Kapitel
Im römischen Luftraum
Der Wind hatte aus dreihundert Grad geweht, was ein Glücksfall gewesen war. Ohne Rückenwind hätten sie es in der vollbeladenen Cessna nicht in weniger als fünf Stunden bis nach Italien geschafft. Die viersitzige Maschine war am Rande des Rollfelds in Oosterbeek nur durch Seile gesichert gewesen. Aufgetankt, wie bei erfahrenen Piloten üblich, die den Tank immer bis zum letzten Tropfen füllten, um bei längeren Wartezeiten eine Kondenswasserbildung zu vermeiden. Das Flugzeug war auch sonst gut in Schuss und mit einem GPS-System ausgestattet, weswegen sie kein einziges Mal auf die Karten in der Pilotentasche hatten sehen müssen.
Nachdem Altmann mit einem Griff unter die Lenksäule die Kabel herausgerissen und mit einem Kurzschluss die Propeller gestartet hatte, waren sie in nordwestliche Richtung gestartet.
Während des gesamten Flugs über hatten sie den Transponder ausgeschaltet gelassen und die Maschine in einer Höhe von unter tausend Fuß gehalten, wodurch sie für die Flugüberwachung nur als kleiner Punkt auf dem Radar sichtbar gewesen waren und von den Bodenkontrollstationen, wenn überhaupt, für ein Ultraleicht- oder Segelflugzeug gehalten wurden.
Hin und wieder, wenn Altmann einen Sportflugplatz entdeckte, hatte er die Cessna in den Sinkflug gebracht. »Falls uns jemand auf dem Schirm hat, soll er denken, wir landen. Das ist harmloser, als wenn wir einen geraden Strich zwischen Amsterdam und Rom ziehen«, hatte er seine Strategie erklärt. Und es hatte funktioniert.
Nach zweihundertachtzig Minuten befanden sie sich nun über der Tyrrhenischen Küste im Sinkflug, etwa dreißig Kilometer von der Tibermündung entfernt, und es hatte keine besonderen Zwischenfälle gegeben. Die größten Probleme hatten sich bereits beim Abflug ereignet, als Adam den Startvorgang hatte abbrechen müssen, weil Celine es sich auf einmal anders überlegt hatte.
Völlig unerwartet war sie ihnen mit dem Transporter nachgefahren und wild gestikulierend auf das Rollfeld vor die Maschine gesprungen. Nachdem sie an Bord geklettert war, zeigte sie auf einen dunklen Wagen, der in der Zufahrt neben dem Hauptgebäude stand und sich merkwürdigerweise nicht in Bewegung setzte, um sie davon abzuhalten, die Cessna in die Luft zu bringen.
»Das sind meine Leute. Sie wissen, dass ich infiziert bin«, sagte Altmann, als sie bereits ihre Reiseflughöhe erreicht hatten. »Sie haben Angst, sich anzustecken. Hätten sie Noah oder Sie alleine vorgefunden … wer weiß. Aber mit mir in der Nähe? Nein.« Er schüttelte den Kopf.
Celine schien danach noch unruhiger zu werden. Wie ein Mensch, der sich sicher ist, einen großen Fehler gemacht zu haben, und Noah konnte ihr den Gedanken, Pest gegen Cholera eingetauscht zu haben, nicht verübeln.
Die meiste Zeit des Fluges über hatte sie geschwiegen und Adams und Oscars Fragen, wie und weshalb sie in diese Sache hineingezogen worden war, nur knapp beantwortet. Und nachdem Noah den Fehler gemacht hatte, sich vorsichtig nach ihrer Schwangerschaft zu erkundigen, war sie endgültig verstummt.
Im Augenblick schlief sie, ebenso wie Oscar, eingelullt von den monotonen Fluggeräuschen, mit den Köpfen gegen die Rücklehnen der
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