Noah: Thriller (German Edition)
ganzen Welt verbreitet habt?«
»Ja.«
»Du gestehst gerade, ein Massenmörder zu sein?« Noah zeigte auf Altmann, der trotz der aufgedrehten Heizkörper und dem Bademantel heftig zitterte. »Deinetwegen verrecken Millionen von Menschen so qualvoll, wie er es gerade tut?«
Zaphires Miene verdunkelte sich. Die Knöchel seiner Hand, die den Knauf der Krücke umfasste, wurden weiß. » Du willst mir etwas übers Verrecken erzählen?«
Er drehte seinen Unterarm so, dass Noah das Ziffernblatt seiner Armbanduhr sehen konnte.
»Wir unterhalten uns nun schon seit über zehn Minuten, John. In dieser Zeit sind weltweit einhundertzwanzig Kinder verhungert. Einhundertzwanzig unschuldige Seelen, die bis zu ihrem erlösenden Tod Qualen aushalten mussten, gegen die die Schmerzen von Mr. Altmann nicht mal ein lauer Muskelkater sind. Und das, weil wir die Lebensmittel, die wir im Überfluss produzieren, lieber wegschmeißen oder zu Biosprit verfeuern, als sie einem Kind zu geben, das kurz vor dem Tode so verzweifelt ist, dass es sich die eigenen Haare vom Kopf reißt, um sie zu essen.«
»Und das rechtfertigt Völkermorde?«
»Auch diese Diskussion hatten wir schon einmal, und noch nie habe ich es geschafft, dich zu überzeugen, John. Im Gegensatz zu David.«
»David?«
»Er war der Leiter der Forschungsabteilung von Projekt Noah.«
»Blödsinn.«
»Es dauerte eine Weile, bis er und ich zusammenfanden. Bis zu seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr war ich für David nur ein Fremder, der seine Ausbildung finanzierte. Der Onkel auf dem Foto, ein reicher Gutmensch, der für die Schule spendet, um sein Gewissen zu beruhigen. Ich lüftete das Geheimnis unserer Familienbande erst, nachdem ich ihn eingestellt hatte. Beim Vorstellungsgespräch hatte er noch keine Ahnung, bei wem er anheuern würde. Für ihn war ich einer der reichsten Männer der Welt mit einem mittlerweile global arbeitenden Unternehmen, das ihm unbeschränkte Gelder für seine Forschungen zur Verfügung stellen würde. Nicht sein Vater.«
»Ein Massenmörder«, ergänzte Noah.
»Du verstehst das nicht, John. Du bist kein Wissenschaftler. David hingegen konnte die Zahlen und Daten nicht leugnen. Alle 3,6 Sekunden verhungert ein Mensch. Acht Millionen jedes Jahr. Und obwohl so viele krepieren, werden wir immer mehr. Der Planet platzt aus allen Nähten. Schon heute sind es über sieben Milliarden, und in jeder Sekunde kommen drei weitere Menschen hinzu, für die nicht genügend Wasser, Energie und Nahrung zur Verfügung steht. Wir alle leben über unsere Verhältnisse. Unsere Wirtschaftssysteme sind auf Wachstum angelegt und damit auf die Vernichtung unserer Ressourcen. Unsere Demokratien pflegen den Kompromiss, doch mit Kompromissen kann man die Erderwärmung nicht senken, Vermögen nicht umverteilen. Umwälzende Entscheidungen, die unser Leben verbessert haben, wurden schon immer von radikalen Einzelkämpfern getroffen. Nicht das Parlament, sondern die Revolution bringt die Menschheit voran. Es ist David nicht leichtgefallen, aber so wie ich, so wie jeder ernsthafte Wissenschaftler, kam er zu der Überzeugung, dass wir nicht die Hände in den Schoß legen und einfach abwarten können. Also hat er sich Room 17 angeschlossen.«
Zaphire sah Noah direkt in die Augen. »So wie du, John.«
»Ich?«
Nein.
»Du arbeitest in der Exekutive. Zum Schutze unserer Verbindung.«
»Niemals.« Noah ballte wütend die Hände zu Fäusten.
»Deine Krankheit macht dich zum perfekten Soldaten«, erklärte Zaphire. »Du kannst keine Geheimnisse verraten, keine Auftraggeber denunzieren, nichts gestehen. Und nicht einmal unter Folter würdest du dich an den Auftrag erinnern, den du für mich in Berlin erledigen solltest.«
17. Kapitel
»Was für ein Auftrag?«
Es war Altmann, der mit fiebriger Stimme die Frage stellte, vor deren Antwort Noah die meiste Angst hatte.
Zaphire räusperte sich, doch seine Stimme klang dennoch belegt. »Es geschah vor wenigen Monaten. Dein Bruder bekam Skrupel. Er verliebte sich in eine Laborassistentin. Und auf einmal kam ihm das eigene Schicksal bedeutender vor als das der Milliarden von Menschen, die wir wegen unseres Lebenswandels verhungern und verdursten lassen, wenn wir sie nicht in einen sinnlosen Krieg um die schwindenden Rohstoffe hetzen.«
Noah nickte. Langsam fügte sich alles. »David wollte euch auffliegen lassen. Mit einem Video von der Sitzung, auf der ihr den Massenmord besprochen habt?«
»Auf dem wir Stufe drei beschlossen,
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