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Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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nur, weil Noah sich selbst wiedererkannte – und meinen Bruder?! –, sondern weil keines der Kinder lachte, lächelte oder auch nur grinste. Die wenigsten sahen in die Kamera, die meisten wirkten gelangweilt, mürrisch, abwesend, traurig; einige sogar latent aggressiv.
    »Ihr wart zwölf«, sagte Zaphire. »Euer erstes Jahr auf dem Heintzenberg-Internat bei Heidelberg.«
    Noah schüttelte den Kopf. Sein linkes Augenlid zuckte, das Bild zitterte in seiner Hand.
    Das Foto zeigte unverkennbar eine um Jahre jüngere Ausgabe seines eigenen Ichs. Sogar in doppelter Ausführung. Ein vages Gefühl des Wiedererkennens regte sich in ihm, so als würde er in einem Buch lesen, das er schon vor langer Zeit einmal in der Hand gehabt hatte. Er roch das Bohnerwachs von dem Linoleum im Internatszimmer, sah mehrere Zeichnungen an der Wand, unter ihnen das Klecksgemälde, nach dessen Urheber in der Zeitung gesucht worden war. Allerdings war die Erinnerung lange nicht so intensiv wie vorhin beim Anblick der Leiche.
    Aber es ist ja auch nur ein Foto!
    »Normalerweise empörst du dich an dieser Stelle immer, das wäre kein Beweis«, sagte der Alte und wedelte mit einem zweiten Bild, das er aus seinem Jackett gezogen haben musste, während Noah mit dem Klassenfoto abgelenkt gewesen war.
    Normalerweise? An dieser Stelle?
    Unbewusst war Noah dazu übergegangen, Teile von Zaphires Sätzen in Gedanken zu wiederholen.
    »Und ich erkläre dir dann immer, dass das Heintzenberg-Internat eine Schule für hochbegabte und gleichzeitig verhaltensauffällige Schüler mit gravierenden psychischen Störungen war. Gedacht für Kinder und Jugendliche, die für herkömmliche Einrichtungen zu schwierig und auf Sonderschulen unterfordert wären. Finanziert wird sie rein aus privaten Geldern. Von Förderern wie diesen hier.«
    Noah nahm ihm das zweite Bild aus der Hand.
    Es zeigte dieselben Schulkinder in einer ähnlichen Formation, nur waren die freudlosen Gesichter diesmal von einer Gruppe Erwachsener gerahmt. Auch hier war wieder ein Kringel um einen der Köpfe gezogen. Noah ließ die Hand sinken, schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Doch, mein Junge. Das da auf dem Foto bin ich. Jonathan Zaphire.«
    Noah blinzelte. Am liebsten hätte er für einen Moment die Augen geschlossen, um sich besser auf seine Fragen konzentrieren zu können: Wieso kann ich mich an so manches erinnern, zum Beispiel an die Fernsehnachrichten von dem Mordanschlag auf Zaphire, nicht aber an meine eigene Vergangenheit? Und wieso lockt mein angeblicher Vater mich ausgerechnet hierher? Was hat meine Familiengeschichte mit dem Wahnsinn zu tun, der gerade die Welt aus den Fugen geraten lässt?
    »Sie lügen mich an«, sagte Noah. Zaphires Augen bekamen einen traurigen und gleichzeitig müden Glanz, als hätte er das Folgende schon Hunderte Male erklären müssen.
    »Du denkst, mein Anblick oder wenigstens die Fotos hätten bei dir einen Gedächtnisschub auslösen müssen?«
    Noah nickte.
    Ja. So wie es der Geruch im Adlon getan hat. Oder die Leiche meines Zwillingsbruders …
    »Deine Erinnerungslücken …« Zaphire schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Es ist kompliziert. Eine Störung im Kopf. Sie hat nichts mit der Schusswunde zu tun.« Er deutete auf Noahs Narbe an der Schulter. »Auch nichts mit psychologischer Verdrängung, Schock oder so. Du leidest darunter seit deiner Kindheit.«
    Meiner Kindheit?
    Erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass die Tatsache, dass er seinem Vater gegenüberstand, neben den Tausenden von unbeantworteten Fragen eine weitere, sehr persönliche Frage aufwarf. »Was ist mit meiner Mutter?«
    Zaphire schluckte schwer. Seine Lippen formten lautlose Silben, dann fing er sich wieder und sagte mit fester Stimme:
    »Sie starb noch im Kreißsaal.«
    Zaphire sah kurz zu Noah hoch, der wie festgewachsen bewegungslos neben dem Sessel stand, dann betrachtete er seine im Schoß gefalteten Hände.
    »Sie war alles, was ich hatte. Ihre Niederkunft war … viehisch. So viel Blut … es … es hat so lange gedauert, die Nabelschnur hatte sich …« Zaphire wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Sie mussten eine Notoperation einleiten. Hierbei kam es zu einem Herzstillstand. Die Ärzte konnten sie nicht wiederbeleben.«
    »Sie leider schon, Mr. Zaphire«, meldete sich eine brüchige, aber vertraute Stimme zu Wort, die Noah zusammenzucken ließ.
    Altmann.
    Ganz eindeutig war er doch noch nicht tot. Stöhnend versuchte er sich an der Heizung

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