Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
derer, die mit ihm davon wussten, aufdecken konnten. Das macht ihn zu einem Handlanger meines Vaters.«
    »Hm«, quittierte die Frau tonlos. Wieder raschelte sie mit einigen Papieren, dann sagte sie: »Vielleicht ändert es Ihre Meinung, wenn ich Ihnen mitteile, dass der Präsident Ihnen volle Immunität zuerkannt hat.«
    »Immunität?« Am liebsten hätte Noah laut aufgelacht, wenn es nicht so traurig wäre. »Wofür?«
    »Sie haben ein halbes Dutzend Menschen ermordet …«
    »In Notwehr!«
    »… ein Flugzeug gestohlen.«
    »Geborgt!«
    »… eine Schwangere in Geiselhaft genommen.«
    »Mit Celines Einverständnis!«
    Sie sog hörbar die Luft ein. »Mit oder ohne, ganz egal. Für all diese Taten wurden Sie heute Nachmittag begnadigt. Es wird nie einen Prozess geben. Als Anerkennung dafür, dass es uns mit Ihrer Hilfe gelingen wird, die Pandemie aufzuhalten.«
    »Vorausgesetzt, ich nehme Ihr Jobangebot an?«, unkte Noah.
    »Nein. Ihre Immunität ist davon völlig unabhängig. Sie müssen nur eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschreiben, was Sie allerdings vor keine allzu große Hürde stellen dürfte«, sagte sie beinahe humorvoll. »Im nächsten Hafen können Sie als freier Mann von Bord gehen.«
    Noah schloss die Augen. Zu seinem Erstaunen machte ihm die Vorstellung Angst. Er wollte diese Kabine nicht verlassen. Ginge es nach ihm, könnte die Fahrt, selbst das Unwetter, ewig andauern. Es gab nichts, wohin er gehen konnte. Gehen wollte. Er hatte niemanden, an den er sich erinnerte. Weder Freunde noch Kollegen.
    Noch Familie.
    Der Einzige, den er schrecklich vermisste, war Oscar. Seine Leiche war mit einem Flugzeug direkt nach Deutschland verbracht worden, wo er auf einem Berliner Friedhof eine ordentliche, aber anonyme Bestattung bekommen sollte. Zumindest hatte der Offizier, den er gefragt hatte, es ihm versprochen.
    »Was geschieht mit meinem Vater?«, fragte er leise.
    »Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben.«
    »Er sagt, er hat ZetFlu genommen. Wie geht es ihm?«
    »Moment.«
    Es knackte in der Leitung, dann war die Leitung stumm geschaltet. Noah fragte sich, mit wem die namenlose Frau mit der emotionslosen Stimme sich gerade austauschte, als sie sich nach wenigen Sekunden bereits wieder zurückmeldete.
    »Hören Sie?«
    »Ja.«
    »Wenn Sie versprechen, mein Angebot noch einmal zu überdenken, kann ich Sie zu ihm bringen lassen.«
    »Okay, gut«, bluffte Noah. »Wann?«
    Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Haben Sie in fünf Minuten schon was vor?«

26. Kapitel
    Natürlich konnte er sich nicht erinnern, ob er jemals ein Déjà-vu empfunden hatte. Aber er kannte den Begriff, und er wusste, wenn es so etwas wirklich gab, dann war es nicht mit den Gefühlen zu vergleichen, die ihn vor dem Krankenbett seines Vaters innerlich schier zerrissen. Denn diese waren sehr, sehr viel intensiver.
    Die Szenerie glich der in dem Hinterzimmer des niederländischen Waldhauses: ein ähnliches Krankenbett, eine vergleichbare Armatur intensivmedizinischer Geräte daneben, nur dass der alte Mann nicht ganz so krank aussah wie der Sterbende in Oosterbeek und auch nicht durch eine Glasscheibe vor seinen Besuchern abgeschirmt wurde.
    Die beiden Offiziersärzte, die Noah auf die ein Deck weiter oben gelegene Station geführt hatten, hatten Schutzanzüge getragen. Ihm empfohlen sie, zumindest eine Atemmaske zu benutzen, auch wenn das Virus in seinem Blut tatsächlich inaktiv war, wie ein Bluttest vor der OP ergeben hatte. Sicher sei sicher, sagten sie.
    Noah hatte abgelehnt.
    Stattdessen hatte er darum gebeten, mit seinem Vater allein sein zu dürfen, und tatsächlich waren sie gegangen, nicht ohne ihn auf die Überwachungskamera hinzuweisen, bevor sie ihn mit dem Gefangenen einschlossen.
    So stand Noah im dunkelblauen Trainingsanzug auf schwarz gummierten Socken vor dem Bett seines Vaters und hätte am liebsten geschrien. Vor Wut, Trauer, Entsetzen, doch vor allem wegen seiner Ohnmacht.
    Noch vor wenigen Tagen war er gemeinsam mit Oscar durch das winterliche Berlin gezogen, auf der Suche nach Pfandflaschen, ohne Vergangenheit, ohne Gedächtnis, mit der Überzeugung, nicht tiefer sinken zu können. Und nun war sein Vater aufgetaucht und hatte ihn eines Besseren belehrt.
    Ich bin der Sohn eines Ungeheuers, dachte er, und erst in diesem Moment begriff er, was er bislang unbewusst mit diesem letzten Besuch bei ihm bezweckte.
    Er musste herausfinden, wie viel von dem Ungeheuer in ihm selbst steckte.
    Noah

Weitere Kostenlose Bücher