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Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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scheinbar belanglose Fragen auf ihn abgefeuert: »Sind wir in Berlin oder in Hamburg? Hat es geschneit oder geregnet in der Nacht, in der ich dich fand? Hab ich da eine schwarze oder eine rote Jacke getragen?«
    Da Noah sich an nichts erinnerte, hatte er raten müssen und mit einer Quote von 49 Prozent richtigen Antworten Oscars Amnesie-Test bestanden.
    »Menschen, die einen Gedächtnisverlust simulieren, geben mit Absicht zu viele falsche Antworten«, hatte Oscar ihm zufrieden erklärt. »Und entlarven sich als Betrüger, wenn sie nicht dem Zufallsprinzip entsprechend eine Trefferquote um die 50 Prozent erzielen. Du aber sagst die Wahrheit. Du kannst dich tatsächlich an nichts erinnern.«
    »Laut BBC sind es über eine Milliarde«, setzte Oscar sein merkwürdiges Referat fort und rappelte sich aus dem Schneidersitz auf. »Jeder siebente Mensch hungert auf unserem Planeten, hauptsächlich Kinder. Etwa neun Millionen von ihnen sterben jährlich an Mangelernährung.«
    »Okay, das ist schrecklich. Aber was hat das mit uns hier zu tun?«
    »Sehr viel, wie deine Reaktion beweist. Findest du das nicht außerordentlich merkwürdig? Ich meine, du bist ein Amnesiepatient, kannst dich an kaum etwas erinnern. Aber du bist nicht im Geringsten verblüfft, wenn ich dir eröffne, dass in der Welt, in der du aufgewacht bist, alle drei Sekunden ein Mensch verhungert.«
    »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Genau davon rede ich.«
    Oscar zog sein fleckiges Holzfällerhemd und das darunterliegende T-Shirt aus dem Hosenbund.
    »Wir sehen die Bilder blähbauchiger Kinder im Fernsehen, lesen über Kinderprostitution und Menschenhandel, über Klimawandel und Energiekrise, kennen die Milliardengehälter von Hedgefonds-Managern an der Wall Street genauso gut wie die Not der Bettler auf den Müllkippen Asiens, und trotzdem machen wir All-inclusive-Urlaub in der Dom-Rep, während wenige Kilometer entfernt, auf dem anderen Teil der Insel, der sich Haiti nennt, Menschen verhungern. Hast du dich nie gefragt, wieso wir so ignorant sind?«
    »Weil wir nicht wissen, wie wir es ändern können.«
    »Falsch. Weil wir gelernt haben, es zu verdrängen. Hier, sieh doch.«
    Oscar, der bereits die ersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet hatte, unterbrach sich und zeigte auf den Fernseher, der ein brennendes Fabrikgebäude zeigte.
    »Anschlag auf Jonathan Zaphire, CEO Fairgreen Pharmaceutics« , schrie die rot gerahmte Bauchbinde am unteren Bildschirmrand, mit der Nachrichtensender ihre Eilmeldungen verkünden.
    »Hungernde Kinder auf dem einen, Krieg und Terror auf dem anderen Kanal. Die Welt geht vor die Hunde, wir alle wissen es, wir sehen es, aber es kümmert uns nicht.«
    Er öffnete einen weiteren Knopf. Spucke sammelte sich beim Sprechen in seinen Mundwinkeln.
    »Wir beide sind das beste Beispiel, Noah. Penner wie wir liegen bei minus sechzehn Grad vor dem Eingang zum Supermarkt, und die Passanten sehen weg. Hast du dich nie gefragt, weshalb die das so gut können?«
    »Uns nicht zu helfen?«
    »Uns zu verdrängen! «
    Noah ließ sich auf dem Sofa nieder und sah an Oscar vorbei ins Schlafzimmer, wo Toto es sich am Fußende des Bettes in einem Paar Boxershorts gemütlich gemacht hatte, das aus dem Koffer gefallen war.
    Der Koffer! Ich sollte ihn noch mal genauer untersuchen.
    »Sie wollen uns glauben machen, unser Gehirn verfüge über einen Schutzmechanismus. Einen Filter, der das Elend aussiebt, damit wir ein normales Leben führen können.«
    Oscar lachte spitz.
    »Aber das ist Quatsch. Unser Gehirn ist seit der Steinzeit darauf programmiert, Gefahren zu erkennen, nicht, sie zu ignorieren. Als die Isländer vor sechshundert Jahren merkten, dass ihre Böden schlechter wurden, was haben sie da getan? Den Kopf in den Sand gesteckt? Nein. Sie haben die Höchstzahl von Schafen festgelegt, die auf den Weiden grasen durften. Vor sechshundert Jahren! Wenn wir heute wissen, dass das Öl in wenigen Jahren komplett verfeuert ist, kommt keiner auf die Idee, die Anzahl von Autos und Flugreisen zu reglementieren. Wir verkaufen lieber Flugtickets für neunundvierzig Euro nach Malle.«
    Das Hemd fiel zu Boden, Oscar stand jetzt barfuß in Jeans und T-Shirt im Raum, was seinen Anblick in dieser Luxussuite noch bizarrer machte.
    »Gut, die Welt ist schlecht. Danke für diesen wichtigen Hinweis.«
    »Du hörst nicht zu, Noah. Die Welt ist schlecht, aber jeder verdrängt es.«
    »Ja, ja, das ist schlimm …«
    »Nein, ist es nicht. Es ist ganz und

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