Noah: Thriller (German Edition)
gar nicht schlimm.«
Noah sah auf. »Das verstehe ich nicht.«
»Genau das ist der Punkt. Darauf will ich hinaus. Es ist nicht schlimm. Niemand hält es für schlimm. Keiner sieht mehr hin. Keiner unternimmt etwas dagegen. Und das ist nicht genetisch bedingt, sondern fremdbestimmt.«
»Von wem?«
»Von den wenigen, die wollen, dass die Welt so ist, wie sie ist. Die Konzerne, das Militär, die Superreichen. Sie besprühen uns.«
»Besprühen?«
»Jetzt kommen wir zu dem Teil, den du mir nicht abkaufen wirst.«
Oscar griff sich an die Stelle der Brust, wo sich unter dem T-Shirt das Amulett abzeichnete, das er jede Nacht vor dem Einschlafen betrachtete.
»Ich heiße wirklich Schwartz. Ich bin zwar kein Professor, aber ich habe über ein neurologisches Thema promoviert«, sagte er und knöpfte sich dabei seine Hose auf. »Kurz nach dem Studium machten meine Frau und ich uns mit einer kleinen Facharztpraxis in Frankfurt selbstständig. Viele unserer Patienten waren Angestellte des Großflughafens, was nicht weiter verwunderlich ist, der Airport ist der größte Arbeitgeber der Region. Erstaunlicher waren die Probleme, derentwegen sie zu uns kamen. Die meisten fühlten sich matt, abgeschlagen, müde und lebensunlustig. Dabei hatten sie humane Arbeitszeiten, tatsächlich waren sie bei vielen sogar kürzlich erst gelockert worden. Also keine Burnout-Gefahr, sollte man meinen. Die Ehepartner berichteten übereinstimmend, dass die Bewusstseinsveränderungen fast von einem Tag auf den anderen aufgetreten waren. Dass ihre Partner von heute auf morgen desinteressiert und allem gleichgültig gegenüber geworden seien.«
Oscar blinzelte nervös. Seine Stimme klang belegt, die Erinnerungen schienen ihn sehr zu bewegen.
»Wir forschten nach und fanden heraus, dass die am stärksten betroffenen Patienten mit der Tankbefüllung zu tun hatten. Und dass wenige Wochen zuvor, unmittelbar bevor die Symptome auftraten, eine neue Zapfanlage in Frankfurt installiert worden war.«
»Also waren es die Kerosindämpfe?«
»Nein. Nicht das Flugbenzin war schuld. Sondern das, was sie ihm beimischten.«
»Und das wäre?« Noah konnte seine Skepsis weder im Tonfall noch im Gesichtsausdruck verbergen.
»Das Mittel hat keinen offiziellen Namen. Die meisten nennen es CLEAR. Es wirkt dämpfend auf das zentrale Nervensystem. Macht die Menschen gleichgültig. Nimmt ihnen die Angst vor Bedrohungen.«
Noah ließ sich resigniert in die Sofakissen zurücksinken und sah an die Zimmerdecke. »Es gibt also eine geheime Macht, die gegen die Bevölkerung ein Mittel einsetzt …«
»… um die Masse ruhigzustellen. CLEAR, ganz genau. Anders ist es nicht zu erklären, dass wir den ganzen Tag Fernsehen gucken und im Internet surfen, anstatt auf die Barrikaden zu gehen.«
Noah stand auf. Er wusste, es war sinnlos, dennoch musste er es sagen: »Du hast sie nicht mehr alle.«
»Sagt der Mann ohne Gedächtnis. Übrigens eine Nebenwirkung von CLEAR, wenn man den Stoff zu hoch dosiert.«
»Ja, ja. Klar. Das wird es sein.« Noah ging Richtung Schlafzimmer.
»Du musst mir nicht glauben. Ich kann es beweisen«, rief ihm Oscar hinterher. »Ich brauche nur besseres Wetter.«
»Wetter?« Noah lachte ungläubig auf und drehte sich um.
Das wird ja immer irrer.
»Ja, am besten strahlenden Sonnenschein.«
Oscar zeigte zu den Fenstern der Suite. »Du kennst doch diese Streifen am Horizont? Gerade Linien, wie mit Kreide gezogen am blauen Sommerhimmel. Sie wollen uns weismachen, es wären Kondensstreifen von Flugzeugen, aber meistens sieht man nirgendwo auch nur die Spur eines Jets, stimmt’s? Google mal Chemtrails , so heißen diese Kontaminierungsstreifen, dann wirst du verstehen, wovon ich rede. Sie entstehen durch die Abgase der unsichtbaren Flugzeuge, die CLEAR versprühen. Die Schweine haben das Mittel dem Flugbenzin beigemischt.«
Noah winkte ab.
Genug Zeit verplempert.
»Wenn du mir nicht glaubst, geh ins Internet.«
»Genau das habe ich vor.«
Aber nicht, um nach CLEAR zu googeln. Sondern nach Dr. Morten oder wie immer ich heißen mag.
»Es gibt Menschen im Netz, die haben sich die Mühe gemacht, diese Chemtrails zu kartographieren. Es hat sich herausgestellt, dass für das menschliche Auge nicht sichtbare Drohnen ein bestimmtes Muster abfliegen.«
»Um das Verdrängungsmittel zu versprühen?«
Oscar grinste über beide Ohren. »Jetzt hast du’s kapiert. Jetzt verstehst du, weshalb ich im Untergrund lebe. So erreichen sie mich nicht. Nur im
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