Noah: Thriller (German Edition)
Verkündung von Katastrophennachrichten. Er musste an Celine Henderson denken, die sich noch nicht wieder gemeldet hatte und die er sich gänzlich anders vorstellte als diese Reporterin im Fernsehen. Die schmale Gestalt stand mit wehendem Haar vor einem stacheldrahtbewehrten Maschendrahtzaun auf einer Autobahnbrücke; im Hintergrund war das Rollfeld des Flughafens zu sehen, auf dem sich keine einzige Maschine bewegte.
»Tausende von Reisenden, Angestellten und Angehörigen sitzen fest, das Chaos hat mittlerweile auch die zu- und abführenden Highways erreicht, auf denen sich der Verkehr auf einer Länge von bis zu dreißig Kilometern staut.«
Entsprechende Hubschrauberaufnahmen wurden eingeblendet.
»Betroffene Fluggäste werden gebeten, sich mit ihren Fragen an die unten eingeblendete Servicenummer zu wenden. Auch wir melden uns gleich wieder mit weiteren Details zu der aktuell noch eher unübersichtlichen Lage …«
Die Reporterin gab mit ernstem Blick zurück ins Studio, wo ihr Nachrichtenkollege eine Frage stellte, auf die Noah jedoch nicht mehr achtete, da Toto im Nachbarzimmer knurrte, und das mit tiefen, rasselnden Lauten, die viel zu voluminös für den winzigen Hundekörper schienen.
Eher neugierig als alarmiert ging Noah in das angrenzende Schlafzimmer, wo der Welpe mit eingeklemmtem Schwanz und gesenktem Kopf vor der geschlossenen Badezimmertür stand.
Was hast du denn, Kleiner?, wollte er schon fragen, doch als er sich zu ihm hinunterbeugte, bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus die Veränderung des Lichtes, das durch den schmalen Spalt zwischen Badezimmertür und Schlafzimmerboden fiel. Eine Abschattung, kaum merklich, aber dennoch ein eindeutiges Zeichen, dass sich hinter der Tür jemand bewegt hatte.
Jemand, der nicht badet.
Jemand, der Schuhe trägt.
Noah fühlte, wie seine Kehle vor Anspannung trocken wurde und sich die Wundränder in seiner Schulter zusammenzogen. Als er die Tür aufriss, verwandelten sich seine Augen in eine mentale Spiegelreflexkamera, die in Bruchteilen von Sekunden Bilder schoss und sie zu dem Bereich seines Gehirns sendete, der für die Analyse lebensbedrohlicher Gefahrenlagen zuständig war.
Das erste Bild zeigte einen Whirlpool, der an einen überlaufenden Kochtopf erinnerte: Das Wasser schlug Blasen, weißer Schaum trat über seine Ränder.
Von Oscar waren einzig noch die verschrumpelten Fußzehen zu sehen, die durch die Wasserdecke stachen. Mit dem Rest seines Körpers war er vollständig untergetaucht. Offensichtlich freiwillig, wie die Analyse von Bild Nummer zwei ergab: Der Unbekannte mit der Waffe in der Hand hatte ihn nicht heruntergedrückt, sondern schien darauf zu warten, dass Oscar wieder an die Oberfläche kam, wahrscheinlich, um ihm ins Gesicht zu schießen.
Wer sind Sie?
Wie sind Sie hereingekommen?
Warum wollen Sie töten?
Alles Fragen, mit denen Noah sich nicht aufhielt. Nicht aufhalten konnte. Denn der Killer zögerte keine Sekunde. Aufgeschreckt durch Noahs Erscheinen, wirbelte der Mann herum.
Und krümmte den Zeigefinger.
In der Hälfte der Zeit, die ein Kolibri für einen Flügelschlag benötigt, hatte er seine Waffe ausgerichtet.
Bild Nummer drei: Heckler & Koch USP, Browningverriegelung, 9 mm mit DAO-Abzugssystem. Schalldämpfer polnischer Fabrikation.
Der Killer war schnell. Schneller, als Noah den Atem anhalten konnte.
Aber nicht schnell genug.
Die Gefahrenanalyseabteilung in Noahs Gehirn hatte einen Handlungsplan erstellt und ohne Umwege an die ausführenden Muskeln und Gliedmaßen weitergegeben.
Handflächen wie zum thailändischen Begrüßungsritual vor dem Gesicht aneinanderpressen. Abstand zur Zielperson verringern, dabei den rechten Ellenbogen im 90-Grad-Winkel aufstellen. Angriffswaffe damit seitlich nach oben drücken. Den Rückstoß des ersten fehlgeleiteten Schusses dazu nutzen, dem Angreifer mit der flachen linken Hand das Gleichgewichtszentrum im Ohr zu zertrümmern. Gleichzeitig das Knie in die Hoden rammen und mit der Aufwärtsbewegung des rechten Ellenbogens fortfahren, bis der Kiefer getroffen, bestenfalls gebrochen ist.
Noah hatte alle Punkte mechanisch ausgeführt und sich dabei parallel immer auf die Rechte des Angreifers, also auf dessen Waffenhand konzentriert, die er, während der Eindringling sich nach vorne krümmte, mit dem linken Arm nach oben riss, bis er den Widerstand in der Gelenkpfanne spürte – das Zeichen, den Druck zu erhöhen, bis erst die Sehnen, dann die Muskeln zerrissen. Dabei
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