Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
Straße des Siebzehnten Juni.
    Oscar drehte langsam den Kopf und starrte ihn mit leeren Augen an. Augenscheinlich stand er seit dem Anblick der Leiche im Bad noch immer unter Schock. »Du hast dich verändert«, flüsterte er. Noah wusste, dass sich diese Bemerkung, wenn überhaupt, nicht nur auf sein Äußeres bezog.
    Es war, als hätten sie die Rollen getauscht. Seitdem Noah ihm in knappen Sätzen geschildert hatte, dass der Tote im Badezimmer ein Killer gewesen war, der ihn um ein Haar – wahrscheinlich infolge einer Verwechslung – getötet hätte, wirkte Oscar apathisch und willenlos, während Noah die Initiative übernommen hatte.
    Noah deutete auf die Kleidungsstücke. »Die Klamotten werden dir zu groß sein, aber das kann ich nicht ändern.« Auf der Flucht waren hochgekrempelte Hosen allemal unauffälliger als Bademäntel.
    »Ist da irgendeine Veranstaltung am Zoo?«, wollte Koslowski wissen. Wie schon zuvor wartete der Fahrer gar nicht erst eine Antwort ab, bevor er weiterredete. »Ich finde ja, es gibt viel zu viele Veranstaltungen in Berlin. Partys, Events, Ausstellungen, Konzerte. Die ganze Welt geht vor die Hunde, und in Berlin tanzen sie auf dem Tresen.«
    Er zeigte auf eine Säule mit einer goldenen Flügelfigur in einiger Entfernung vor ihnen, als würde das hell erleuchtete Wahrzeichen in der Mitte des Kreisverkehrs seine These in irgendeiner Art untermauern.
    »Ist alles aus den Fugen geraten.«
    Irgendetwas in Koslowskis letzter Bemerkung schien Oscars Aufmerksamkeit geweckt zu haben, jedenfalls nickte er langsam. Gleichzeitig veränderte sich sein Blick. Er wurde klarer.
    »Wer war das?«, fragte er mit leiser Stimme. Flüsternd, aber dennoch fordernd. Allmählich wurde es etwas wärmer im Taxi.
    »Der Mann im Bad?«
    Oscar nickte.
    »Das versuche ich gerade herauszufinden.«
    Noah zog das Satellitentelefon aus der rechten Innentasche seines Jacketts. In der linken hatte er die Pistole verstaut, die er dem Killer abgenommen hatte.
    Während sich der Taxifahrer über die Vergnügungssucht der Berliner beschwerte (»Wissen Sie, was auf den Partybüfetts alles ungenutzt in den Müll wandert? Damit kann man ganze Staaten ernähren«), drückte Noah auf die On-Taste des Telefons, und diesmal leuchtete das Display auf. Die kurze Aufladezeit im Hotel hatte gereicht, um das Handy einschalten zu können. Ein computeranimierter Adler flog aus einem silbernen Käfig in die Freiheit. Die Szene fror in einem Standbild ein, das den Adler über den Wellen eines dunklen Meeres zeigte, offensichtlich das Firmenlogo des Herstellers.
    »Wen rufst du an?«, wollte Oscar wissen und blickte kurz aus seinem Seitenfenster. Sie bogen in den Kreisverkehr um die Säule. Er klang immer noch abwesend, aber immerhin versuchte er zu kommunizieren.
    »Keine Ahnung.«
    Der Adler verschwand, und ein Auswahlmenü zeigte sich auf dem Touchscreen des Telefons.
    Noah drückte auf ein Karteikartensymbol und öffnete die Liste der gespeicherten Kontakte.
    Nichts.
    »Kein einziger Eintrag«, klärte er Oscar auf.
    Die Datenbank war leer, und auch in den anderen Menüunterpunkten fanden sich keinerlei digitale Gebrauchsspuren. Keine empfangenen Kurzmitteilungen, keine E-Mails. Keine gewählten Nummern, keine geführten Gespräche.
    »Vielleicht ist es neu?«, schlug Oscar vor.
    »Mit diesen Abnutzungserscheinungen?« Er hielt das Telefon schräg, dass Oscar die Rillen in dem zerkratzten Gehäuse besser sehen konnte. Noah schüttelte den Kopf. »Jemand hat den Speicher gelöscht.«
    Den im Telefon. Und den in meinem Kopf.
    »Empfangsprobleme?«, wollte der Taxifahrer wissen. Er lächelte wissend. »Hab ich heute auch schon den ganzen Tag. Netzüberlastung. Dachte, nachts wird es besser, aber ist ja auch kein Wunder, wenn die Kids die ganze Zeit nur noch telefonieren, anstatt mal ein Buch …«
    Noah hörte nicht weiter hin. Koslowskis nicht enden wollender Redeschwall war längst zu einem bedeutungslosen Hintergrundrauschen geworden.
    Mit gedämpfter Erwartungshaltung öffnete er das Register der verpassten Anrufe und erlebte eine Überraschung.
    Dreiundzwanzig Anrufe in Abwesenheit?
    Sie waren in den letzten vier Wochen eingegangen, geballt in den Tagen, nachdem Oscar ihn verletzt und dem Tode nah im U-Bahn-Schacht gefunden hatte. Mit fortschreitender Zeit wurde die Frequenz immer spärlicher; der letzte Versuch vor zwei Tagen, was weniger verwunderlich war als die Tatsache, dass alle dreiundzwanzig Anrufe von einem einzigen

Weitere Kostenlose Bücher