Noah: Thriller (German Edition)
Automaten warf?
Das gurgelnde Ungetüm stand im hinteren Teil der offenen Küche, in einer nur selten genutzten Kochnische (die meisten Kollegen bestellten sich etwas oder aßen außerhalb), die man zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen mit einer Schiebetür abtrennen konnte, was Kevin auch getan hatte, um sich vor neugierigen Blicken zu schützen.
Zuerst hatte Celine wirklich geglaubt, er habe die Unverfrorenheit, sich vor ihren Augen eine Cola zu ziehen, während er all ihre Fragen (Woher weißt du von Oscar und das von meinem Vater? Was hast du mit mir vor? Bist du verrückt geworden?) an sich abprallen ließ. Er hatte blitzschnell eine Zahlen- und Zeichenkombination in das Tastenfeld getippt, worauf es klack machte und der Automat, wie von einem unsichtbaren Riesen gepackt, zur Seite glitt und einen schmalen Durchgang freigab.
In diesem Moment hatte es Celine die Sprache verschlagen, weswegen sie nicht einmal mehr protestierte, als die beiden Wachmänner sie grob in den Raum stießen. Nun saß sie in dieser Zelle, alleine, an einem schlichten, x-beinigen Holztisch, dem einzigen Einrichtungsgegenstand, abgesehen von zwei Metallstühlen und einer Deckenleuchte, und starrte auf die dünnen Schlitze in der Wand vor sich: die Kanten der Rückseite des Automaten, der nun wieder in Position stand und ihr eine Flucht unmöglich machte.
»Geht’s dir gut, Pünktchen?«, flüsterte sie und streichelte sich zaghaft über den Bauch. Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, mit ihrem Ungeborenen zu reden. Jeden Abend vor dem Einschlafen erzählte sie ihm von ihrem Tag, von den Plänen, sobald (er? sie? egal!) erst einmal da war, und wie glücklich sie darüber war. Noch war nichts zu sehen, nicht einmal eine kleine Wölbung, selbst wenn sie ein eng anliegendes T-Shirt trug, aber sie glaubte eine Reaktion zu spüren, wenn sie sich hundertprozentig darauf konzentrierte: ein leichtes Kribbeln im Unterleib. Auch wenn alle ihr sagten, Dr. Malcom eingeschlossen, das wäre medizinisch unmöglich, war sie sich sicher, dass Pünktchen mit ihr kommunizierte, ihr antwortete: »Ich freue mich auch, Mama. Lass mich hier noch eine Weile All-inclusive-Urlaub in deiner Gebärmutter genießen, und dann mache ich mich auf den Weg.«
Im Augenblick konnte sie vor Aufregung natürlich keine Verbindung aufbauen, dabei hätte sie sich gerade jetzt eine Reaktion sehnlichst gewünscht: »Wird schon alles nicht so schlimm sein, Mama. Ich bin gesund, und es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest.«
Doch da war kein Ziehen, kein Kribbeln, kein Lebenszeichen, wenn sie in sich hineinhorchte, und vielleicht war das auch gut so, denn eine dieser beiden Behauptungen wäre eine Lüge gewesen; auf jeden Fall die mit der Angst. Die Angst um Pünktchen, um ihren Vater und nun auch um sich selbst lastete wie ein Gewicht auf ihrem Brustkorb, machte ihr das Atmen schwer und brachte sie trotz der Kühle im Raum zum Schwitzen.
All diese Abwehrreaktionen ihres Körpers wurden noch einmal verstärkt, als es wieder klack machte, der Automat erneut zur Seite glitt und eine Person, die sie noch nie zuvor im Leben gesehen hatte, mit einem diabolischen Lächeln den Raum betrat.
26. Kapitel
Noah kappte die Verbindung.
»Was ist?«, wollte Oscar wissen, der die vergangene Minute dazu genutzt hatte, sich hastig in Unterwäsche und Hose zu zwängen. Der Bademantel lag im Fußraum über den Stiefeln, aus denen Oscar geschlüpft war. Im Augenblick drehte er den nackten Oberkörper, so weit es auf den Sitzen eben ging, zur Seite, um den rechten Arm durch den Ärmel eines himmelblauen Anzughemds zu stecken.
»Mit wem hast du gesprochen?«
Noah sah zum Fahrer, der die Geschwindigkeit wegen einer Gruppe Jugendlicher drosseln musste, die, mit Bierflaschen in der Hand bewaffnet, betont langsam über die Straße schlenderten, als hätte der Alkohol sie unverwundbar gemacht.
»Er sagt, er wär der Präsident«, flüsterte Noah.
»Präsident wovon?«
Koslowski hupte wütend.
»Den USA.«
»Baywater?« Oscar hielt in seinen Bewegungen inne.
Noah nickte. Der Name war ihm bekannt, löste aber keine Erinnerungen aus, zumindest keine persönlichen. Er hatte ein Bild von dem dreiundsiebzigjährigen Texaner vor Augen, der sich gerne in Jagdmontur oder beim Bergsteigen fotografieren ließ. Er wusste, dass er Schuhe mit hohen Absätzen trug, um seine geringe Körpergröße zu kaschieren. Er wusste auch um seine Vorliebe für kubanische Zigarren, die ihm fast die
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