Noah: Thriller (German Edition)
bitte …«, versuchte Noah eine weitere Aufzählung von vermeintlichen Weltverschwörungsbeweisen zu unterbinden. Ohne Erfolg.
»Bereits auf diesem ersten Treffen war man sich angeblich einig, dass nur eine unabhängige, vom Willen der Masse losgelöste Macht das größte Problem der Welt in den Griff bekommen könne.«
»Welches Problem?«
»Den Menschen.«
Oscar ließ seine Antwort eine Zeit lang bedeutungsschwanger in der Luft schweben.
»Die Theorie ist ganz einfach: Egal ob Hunger, Kriege, Klimawandel, Armut, Müll oder Energiekrise – der Verursacher all dieser Katastrophen sind Menschen. Viele Menschen. Viel zu viele Menschen.«
Vielleicht war es Zufall, dass mit diesen Worten das Pfeifen in Noahs Ohr wieder einsetzte, wenn auch deutlich leiser als unmittelbar nach der Explosion der Gasflasche im Elektronikmarkt, aber vielleicht hatten Oscars Worte auch die akustischen Vorboten einer Erinnerung angeschoben.
»Beim Bau der ägyptischen Pyramiden waren wir noch unter uns, lauschige dreißig Millionen lebten auf dem Planeten. Heute sind es über sieben Milliarden. Und alle 2,6 Sekunden kommt ein weiterer dazu, der Fleisch und Getreide braucht, Benzin verbrennen will, Wasser trinken muss. Dabei reichen unsere Ölvorkommen nur noch wenige Jahre, und eine Milliarde Menschen sind bereits jetzt von sauberer Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Wenn alle so verschwenderisch leben würden wie in den USA – und Europa sowie China sind auf dem besten Weg dorthin –, dann bräuchten wir schon jetzt zweieinhalb weitere Planeten, um die Versorgung sicherzustellen. Die Weltmeere sind leergefangen, die Urwälder gerodet, die Felder überdüngt, ausgedörrt oder von Überschwemmungen zerstört. Wie soll es erst in fünfzehn Jahren aussehen, wenn wir die 9-Milliarden-Marke sprengen? Oder in sechzig, wenn sich die Menschheit noch einmal verdoppelt hat?«
Noah sagte nichts. Das Pfeifen hinter seinen Trommelfellen wurde lauter.
»Die Analyse der Bilderberger ist im Grunde genommen gar nicht mal falsch«, setzte Oscar seinen Vortrag fort. »Die Masse an Menschen ist das größte Problem unseres Planeten, also wäre es widersinnig, die Masse demokratisch über ihr eigenes Schicksal abstimmen zu lassen. Das wäre ja so, als ließe man Inhaftierte im Todestrakt über die Todesstrafe entscheiden.«
Noah hätte sich am liebsten einen Finger ins Ohr gesteckt, um zu überprüfen, ob der anschwellende Sinuston nicht doch von außen kam.
»Und was ist der genaue Plan dieser Bilderberger?«
Und was hat das mit mir zu tun?
»Ich habe keine Ahnung. Aber Ende der siebziger Jahre soll sich von den Bilderbergern eine extremistische Gruppierung abgespaltet haben, denen die Ansätze zur Lösung des Überbevölkerungsproblems nicht radikal genug waren. Komplett Verrückte, ebenso reich wie skrupellos. Sie haben heute offiziell nichts mehr mit den Bilderbergern zu tun, gleichwohl sie sich nach dem Zimmer benannt haben, in dem ihr ältestes Mitglied 1954 im Hotel de Bilderberg übernachtet hatte.«
»Room 17?«
»Genau. Und jetzt schau dir noch mal den Namen des Bildes an, dessen Maler gesucht wird. Fällt dir etwas auf?«
»Der Bach des Ostens?«
»Darauf will ich hinaus.«
Noah schluckte, es knackte in seinem Ohr, und auf einmal war es weg. Kein Pfeifton mehr. Dafür hörte er alles doppelt. Fast gleichzeitig. Sowohl die Stimme des alten Mannes in seinem Kopf: »Der Bach des Ostens … Ostbach …«
Als auch die Stimme Oscars, der aufgeregt sagte: »Ostbach. Auf Niederländisch: Oosterbeek. Der Sitz des ersten Bilderberg-Hotels.«
»Was hat das zu bedeuten?«, flüsterte Noah.
Oscar zuckte mit den Achseln. »Dass du so richtig in der Scheiße sitzt, wenn du dich mit denen angelegt hast.«
31. Kapitel
Versuch Nummer vier. Celine drückte die Ansage weg, die ihr nun schon zum wiederholten Mal erklärte, dass der angerufene Teilnehmer nicht erreichbar wäre.
»Ausgeschaltet«, sagte sie und wollte Amber das Handy zurückgeben, das sie von ihr bekommen hatte, doch die mysteriöse Unbekannte wehrte ab. »Bitte, lassen Sie mich gehen.«
Ihre Kehle war trocken, Celine brauchte dringend etwas zu trinken. Außerdem hatte sie heute noch keine Folsäure für das Baby eingenommen, und sie war schon lange nicht mehr auf der Toilette gewesen. Viel länger konnte sie ihre Blase nicht mehr strapazieren.
»Versuchen Sie es in zwei Minuten wieder«, sagte Amber unbekümmert.
Celine stöhnte entnervt. »Das ist doch
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