Nobels Testament
Tür. Ich melde mich.
Sie schrieb unmittelbar zurück:
Okay, honey. Ich habe Ihnen die Chance gegeben. Sie haben sie nicht ergriffen. Dummkopf.
Zehn Sekunden später klingelte ihr Handy.
»Seien Sie in zehn Minuten unten im Café am Norr Mälarstrand«, sagte Q.
»Im Mälarpavillon?«, fragte Annika.
»Weiß ich doch nicht, wie das Ding heißt«, sagte Q und legte auf.
Annika lächelte und packte ihren Laptop wieder ein.
Das Wetter war wirklich herrlich. Der Wind war warm und roch nach Erde und Asphalt, dem vollkommen unwiderstehlichen Geruch nach Stadt und Sommer.
Ich will hier wohnen, dachte Annika. Hier bin ich zu Hause.
Sie schloss das Auto ab und steckte die Schlüssel in die Tasche. Sie war bleischwer, einer der Nachteile, wenn man seinen Arbeitsplatz immer bei sich trug.
Der Mälarpavillon war einer ihrer Lieblingsorte auf Kungsholmen. Ein kleines Café mit wackeligen Gartenstühlen auf glatt geharktem Kies, großen Sandwiches und heißer Schokolade. Bei Bedarf gab es Decken, und die brauchte man abends fast immer. Zwei Meter von den Tischen entfernt gluckerte der Mälarsee, und am gegenüberliegenden Ufer thronte Langholmen und der Turm der Högalidskirche.
Q war bereits da, er trug eine Sonnenbrille und starrte auf die Västerbro, vor ihm lag ein Haferkeks.
»Tragen Sie nie etwas anderes als Hawaiihemden?«, fragte Annika und stellte erleichtert die Tasche in den Kies.
»Sie sind nicht aus Hawaii. Sie sind von Tuki’s Pareua in Avarua auf Rarotonga. Und für Hochzeiten und bessere Beerdigungen habe ich ein handbemaltes Seidenhemd, das ich bei Nelson Mandelas Schneider in Kapstadt gekauft habe. Hatte ich Ihnen das noch nicht erzählt?«
Sie ließ sich auf dem Stuhl gegenüber dem Kommissar nieder und legte einen Block und einen Stift auf den Tisch.
»Haben Sie eine Verbindung zwischen
The Kitten
und dem Typ im Kühlfach gefunden?«
»Wir bringen Johan Isaksson mit dem Nobelmord in Zusammenhang«, sagte Q. »Was wollen sie über das Kätzchen schreiben?«
Annika kritzelte einige harte Kreise auf ihren Notizblock, um den Stift zum Schreiben zu bringen.
»Dass sie es war. Dass sie in Jurmala in Lettland den Arzt und ihren Komplizen erschossen hat. Dass sie unter Verdacht steht, den Mord an Isaksson begangen zu haben.«
Q seufzte.
»Wir haben keine Beweise, dass der Tote im Kühlraum ermordet worden ist.«
Annika zog den Block näher zu sich.
»Passen Sie auf, das ändern wir sofort. Nichts über Johan Isaksson, außer, wie und wo er gestorben ist und dass Sie ihn mit dem Nobelmord in Verbindung bringen. Wieso eigentlich?«
»Sein Handy.«
»Sie haben es also inzwischen gefunden?«
»Nein, es ist noch immer nicht aufgetaucht, aber sein Doktorvater hat uns seine Prepaidnummer gegeben, und vom Netzbetreiber wissen wir, dass er im Verlaufe des Frühjahrs fünf SMS an eine für die Ermittlung interessante Prepaidnummer geschickt hat.«
»Dieselbe Nummer, an die er
dancing close to st erik
geschickt hat«, sagte Annika.
Q lächelte matt.
»Jetzt liegen Sie falsch«, sagte er. »Wir haben ein Puzzle gelegt und haben weitere Nummern und weitere Mitteilungen gefunden. Wir gehen davon aus, dass das Kätzchen
dancing close to st erik
erhalten hat, und von ihrer Nummer aus wurde dann eine SMS verschickt. Diese Nummer haben wir natürlich auch überprüft.«
»Wem gehörte dieses Telefon?«, fragte Annika.
»Was glauben Sie?«, sagte er.
Einen Moment betrachtete Annika den Haferkeks des Kommissars.
»Dem Komplizen natürlich«, antwortete sie.
»Wieder richtig. Und wer hat es nach dem Tod des Komplizen geerbt?«
»Selbstverständlich der Mörder«, sagte Annika und notierte. »Johan Isaksson hat also fünf SMS an das Telefon des toten Komplizen geschickt, und das Kätzchen hat sie erhalten. Weiß man, was er geschrieben hat?«
»Die Antwort lautet nein. Was vermuten Sie?«
Annika zuckte die Achseln.
»Er muss mit dem Komplizen Kontakt gehabt haben«, sagte sie.
»Vielleicht war der es, der Johan angeheuert hat. Nach dem Mord hatte Johan vielleicht Fragen oder bereute, was er getan hatte. Schuldgefühle. Vielleicht hat er gedroht?«
»Vielleicht«, sagte Q. »Und nun ist er tot. Ist Ihnen die Sache jetzt klarer?«
»Glaube schon«, sagte Annika und kratzte sich mit dem Stift am Kopf.
Q warf ein paar Enten, die am Ufer entlangwackelten, seinen Keks hin.
»Und warum ist es plötzlich kein Problem mehr, wenn ich mit dem Kätzschen an die Öffentlichkeit gehe.«
»Es ist nicht in
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