Nobels Testament
angeschrien …«
»War es etwas Persönliches? Ging es um etwas Bestimmtes?«
»Er sagte, er wisse, was für ein Typ Bernhard sei, dass er alles Menschenmögliche täte, um einen Nobelpreis zu bekommen, er solle sich in Acht nehmen, er würde nicht ungeschoren davonkommen, denn er wisse, was er mit den Versuchstieren gemacht habe. ›Caroline hat mir von der Katze erzählt‹, hat er geschrien, ›sie hat dich gesehen‹, und dann kam noch so etwas wie, er sei die Inkarnation des Bösen …«
»Das hat er gesagt?«, fragte Annika. »Dass Caroline von der Katze erzählt habe?«
»Lars-Henry und Caroline standen sich sehr nah«, sagte Birgitta Larsén mit einer gewissen Verärgerung. »Bevor sie starb, ist er nicht so gewesen. Sie hat ihm sicher eine Menge anvertraut …«
»Kann Thorell erfahren haben, dass Ernst die Aufnahme Medi-Tecs in den Empfehlungsbericht verhindert hat?«, erkundigte sich Annika.
»Nein«, sagte Birgitta Larsén, »also jetzt lehnen Sie sich ganz schön weit aus dem Fenster …«
»Birgitta«, sagte Annika, »kann es sein, dass Thorell Insiderinformationen über Ihre Konferenz bekommen hat? Besteht die Möglichkeit? Könnte jemand gequatscht haben?«
Birgitta Larsén schwieg einen Moment.
»Er hat sich lange mit Sören unterhalten«, sagte sie, »aber Sören würde nie …«
»Kommen Sie an Ihre Mails? In ein paar Sekunden bekommen Sie eine Nachricht von Caroline von Behring.«
»Ich habe das Mailprogramm geöffnet.«
Annika schickte das Dokument mit dem Titel
Alfred Bernhard
an die Büroadresse der Professorin.
»Ja, da ist sie«, sagte sie. »Soll ich sie gleich lesen?«
»Ich bleibe dran«, antwortete Annika.
»Literarische Ambitionen …«, brummte die Frau.
»Lesen Sie einfach«, sagte Annika.
Die Atemzüge am anderen Ende wurden immer schwerer. Als Birgitta Larsén den Text durchgelesen hatte, schwieg sie.
»Haben Sie Thorell gegenüber irgendetwas geäußert, was ihn ärgerlich oder unsicher gemacht haben könnte?«
»Inwiefern?«, fragte die Professorin heiser.
»Er wusste genau, welche Tiere Ihnen gehörten, oder nicht? Sie haben sie ihm gezeigt, und er hat sie getötet. Was haben Sie zu ihm gesagt?«
»Nichts, wir haben nur ganz allgemein diskutiert.«
»Über den Alterungsprozess und Medi-Tecs Forschung?«
»Unter anderem«, räumte Birgitta Larsén ein.
»Wenn Sie die Mail genau lesen, werden Sie sehen, dass Caroline ihren Betrug zugibt. Von Ihrer Beteiligung steht dort allerdings nichts. Sie bleiben unbescholten. Soll ich den Text an die Polizei weiterleiten?«
Am anderen Ende begann Birgitta Larsén lautlos zu weinen.
»Ja«, flüsterte sie dann. »Tun Sie das.«
Und Annika klickte noch einmal den Text an und schickte ihn an Q.
Mit geröteten Wangen und zitternden Händen holte Annika die Kinder von der Kita ab. Sie musste einen Preis bezahlen, einen Machtpreis, und es war gut möglich, dass jetzt Schluss mit lustig war.
Der Hof war verlassen, eine Schaukel schwang im Wind.
Als sie den Gruppenraum betrat, spielte Lotta mit Kalle und Ellen ein Spiel, alle anderen Kinder waren fort.
»Hallo, ihr Schätze«, sagte Annika und fing die beiden auf, als sie auf sie zurannten. »Seid ihr die Letzten?«
»Ich glaube, Linda sitzt noch mit ein paar kleinen Mädchen in der Puppenecke«, sagte Lotta und lächelte. »Anstrengenden Tag gehabt?«
Annika verdrehte die Augen.
»Sie würden mir doch nicht glauben, wenn ich Ihnen davon erzählte«, sagte sie.
»Ellen hat ihre Tasche fertig gemacht«, sagte Lotta und erhob sich. »Willst du sie mit nach Hause nehmen, Ellen?«
Das Mädchen nickte.
»Ich hole sie«, sagte Lotta und ging hinüber zum Nähzimmer.
Annika beugte sich zu Kalle hinunter, strich über sein Pflaster auf der Stirn, das ein wenig Dreck abbekommen hatte.
»Ist alles gut gegangen?«, fragte sie leise.
Der Junge nickte.
»Ben und Alex sind früher abgeholt worden, und Alex hat in die Hose gemacht.«
Annikas Gesicht glühte.
»Ist das wahr?«, sagte sie.
»Wir haben ihn gehänselt«, sagte Kalle großspurig. »Wir haben gesagt, dass er ein Pisspott ist.«
Annika nahm Kalle am Arm, fester als beabsichtigt.
»Kalle«, sagte sie, »das dürft ihr nicht zu Alexander sagen. Auch zu niemand anderem. Du willst ja auch nicht, dass sie dich Pisspott nennen, oder?«
»Er ist doch gemein zu mir gewesen«, wandte der Junge mürrisch ein.
»Ja, aber deshalb musst du noch lange nicht gemein zurück sein«, sagte sie und ahnte das Ausmaß ihrer
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