Nobels Testament
in Ohnmacht gefallen, doch ich blieb stehen. Ich stand dort im Schatten der Regale, während die Katze verblutete, festgeschraubt. Ihre Schreie wurden immer schwächer, und Bernhard hielt mit verhextem Lächeln ihr inneres Geschlechtsteil in Händen, eine Gebärmutter mit Katzenembryonen und zwei Eierstöcken, die wie Fetzen an der Seite hingen.
Hinterher säuberte er den Tisch sorgfältig. Er verbrannte die Katzenleiche im Brennofen, wie man es seinerzeit tat, und schrieb einen Bericht über seine Forschung.
Tests am Sehnerv,
schrieb er.
Dann verließ er das Labor, machte das Licht hinter sich aus, er löschte alle Lampen und pfiff dabei.
Ich blieb eine ganze Woche zu Hause, mit glühendem Fieber und schrecklichen Magenkrämpfen.
Als ich wieder ins Institut zurückkam, rief ich Bernhard zu mir, unseren magischen Charmeur.
Ich setzte ihn davon in Kenntnis, dass ich ihn mit sofortiger Wirkung seiner Aufgaben enthob. Er habe eine halbe Stunde Zeit, von hier zu verschwinden.
Aber Bernhard lächelte bloß.
»Warum?«, fragte er nur.
»Die Katze«, sagte ich.
»Ah«, sagte er und legte den Kopf ein wenig schräg.
»Dreißig Minuten«, sagte ich.
»Das glaube ich nicht«, sagte Bernhard.
Und dann erzählte er mir von dem Gruppenfoto der Konferenz in Helsinki. Er hielt es an einem sicheren Ort verwahrt, zusammen mit einem redaktionellen Beitrag, aus dem hervorging, an welchem Datum das Bild aufgenommen worden war. Er war ebenfalls auf die Information gestoßen, an welchen Tagen meine Versuche für den Artikel in der
Science
komplettiert wurden, und –
ist es denn die Möglichkeit? –
die Daten waren identisch.
Sie waren identisch.
Bernhard Thorell lachte, er lachte und lachte.
»Also, liebe Caroline«, sagte er und kam ganz nah, »wirst du meine Dissertation anerkennen, und das bereits in diesem Frühjahr.«
»Niemals«, sagte ich, den Schrei der Katze noch immer im Kopf.
Aber ich tat es. Ich tat es. Ich tat es.
Ich erkannte seine Doktorarbeit an.
Ich gab nach, und bis heute schäme ich mich dafür.
Niemandem habe ich davon erzählt, nicht einmal dir, Biggan.
Aber nun bleibt mir keine andere Wahl, denn er ist zurückgekommen.
Er ist wieder da, und dieses Mal will er mehr.
Den Nobelpreis, Biggan, er will den Nobelpreis in Medizin für seine Entdeckungen bei Medi-Tec. Sonst wird er mich verraten. Nicht noch einmal, das habe ich ihm gesagt, nie wieder. Lieber falle ich.
Er glaubt mir nicht, ich sehe ihm an, dass er mir nicht glaubt. Für ihn ist es eine so leichte Wahl, und er denkt, für mich sei es ebenso.
Aber er irrt.
Er irrt, und nun hat er mir ein Ultimatum gestellt.
In drei Wochen werden wir unsere Entscheidung verkünden, und wenn Medi-Tecs Forschergruppe nicht unter den Siegern ist, werde ich sterben.
»Spektakulär«, hat er gesagt, »wie die Katze.«
Aber nun geht es um Alfred, um Alfred Bernhard Nobels Letzten Willen, und Gott sei Dank gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, die größer sind als wir alle.
Annika starrte auf den Bildschirm, als sie zu Ende gelesen hatte, ihr war schwindelig und schlecht. Es war, als sei sie eben aufgewacht, sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit sie begonnen hatte zu lesen.
Bernhard Thorell.
Hatte er am Samstag am Seminar teilgenommen?
Ja, hatte er.
Wie viel wäre der Nobelpreis in Medizin für Medi-Tec wert?
Sie griff wieder nach dem Hörer, rief Birgitta Larsén an.
»Ich habe Carolines Archiv gefunden«, sagte Annika, noch bevor die Professorin mit dem nächsten Wortschwall beginnen konnte. »Sie schreibt darin über ihren Betrug und darüber, wer sie bedroht hat. Bitte, Birgitta, sagen Sie mir, was am Samstag passiert ist …«
»Wer?«, fragte Birgitta Larsén. »Wer hat sie bedroht?«
»Erzählen Sie mir, was passiert ist, dann schicke ich Ihnen Carolines Mail.«
»Nein! Sie können nicht einfach darüber bestimmen.«
Annika antwortete nicht, ihr Blick ruhte auf der letzten Zeile von Carolines Text.
Aber nun geht es um Alfred, um Alfred Bernhard Nobels Letzten Willen, und Gott sei Dank gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, die größer sind als wir alle.
»Okay, Sie haben es in der Hand«, sagte Annika. »Entweder wir legen jetzt auf, oder Sie berichten mir genau, was am Samstagnachmittag vorgefallen ist.«
»Das ist geheim«, sagte Birgitta Larsén.
»Na dann«, erwiderte Annika und legte auf.
Sie blieb still auf ihrem Stuhl sitzen, horchte auf das Rauschen in ihrem Kopf, fragte sich, wie lange es dauern würde,
Weitere Kostenlose Bücher