Nobels Testament
eigenen fantastischen Heuchelei.
»Ich hab Hunger, Mama«, meldete sich Ellen.
»Dann fahren wir jetzt nach Hause«, sagte Annika.
Das Kinderprogramm hatte schon begonnen, und die Kinder durften es sich vor dem Fernseher gemütlich machen, während sie Essen zubereitete. Sie zerkleinerte Gemüse und Rüben und schnitt das Putenfilet in Streifen. Dann setzte sie einen kleinen Topf mit Jasminreis auf und holte noch Kokosmilch, Chili und Fischsoße und gehackten Koriander aus dem Schrank. Während das Öl im Wok heiß wurde, beeilte sie sich, den Tisch mit Kerzen und Servietten zu decken.
Sie arbeitete nicht rund um die Uhr. Auch wenn sie Vollzeit arbeitete, war sie im Großen und Ganzen doch viel zu Hause und sorgte immer dafür, dass das Essen rechtzeitig auf dem Tisch stand.
Nervös wirbelte sie in der Küche herum, um fertig zu sein, wenn Thomas kam. Sie wischte die Arbeitsplatten ab und presste den Inhalt der Mülltüte zusammen.
Er trat durch die Tür, als sie den Wok von der Platte zog.
»Hallo«, sagte sie mit dünner Stimme und lächelte. »Was für ein Timing, das Essen ist gerade fertig.«
Thomas stellte seine Aktentasche neben der Tür ab und kam in die Küche, ohne die Schuhe auszuziehen. Er sah sie nicht an, sondern ging direkt zum Gefrierschrank und holte zwei Eis heraus.
»Was machst du? Ich wollte gerade auftun.«
Er wandte ihr wortlos den Rücken zu und ging hinüber zu den Kindern.
»Kalle und Ellen«, sagte er leise, doch sie hörte ihn trotzdem klar und deutlich. »Ich will, dass ihr beide eine Weile in eure Zimmer geht. Hier, ihr bekommt ein Eis, wenn ihr lieb seid und hochgeht. Ich muss etwas mit Mama besprechen.«
»Man darf doch vor dem Essen kein Eis haben«, sagte Ellen.
»Heute darfst du«, sagte Thomas, und Annika sah, wie das Mädchen das Eis nahm und vorsichtig das Papier entfernte.
»Danke, Papa«, sagte Kalle und umarmte Thomas, dann rannte er die Treppe hoch.
Er drehte sich nicht zu Annika um, bis beide Kinder und Ludde und Poppy nach oben verschwunden waren. Sie stand wie angewurzelt da, mit Wok und Designer-Untersetzer, und starrte seine Schultern an, als er sich langsam zu ihr umwandte.
Seine Augen, oh Gott, seine Augen. Sie waren rot geädert und schmal, er sah aus wie ein anderer Mensch. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück und schlug sich die Ferse am Bartisch an.
»Was?«, sagte sie. »Was ist passiert?«
Er kam auf sie zu, und nun erkannte sie, dass es Trauer war. Trauer lag in seinem Blick, liebe Güte, was war geschehen?
»Was hast du getan?«, fragte er heiser.
»Wie bitte?«
Hatte es mit den Kindern zu tun, mit dem, was sie zu Alex und Benjamin gesagt hatte? Er baute sich vor ihr auf, nahm ihr den Wok und den Untersetzer aus den Händen. Die Kokosmilch schwappte über, als er den Wok auf der Arbeitsplatte abstellte.
»Seit wann weißt du davon?«
Oh nein, nicht das!
»Wovon?«, fragte sie.
»Sophia«, sagte er sehr leise.
Sie schluckte hörbar.
»Warum hast du nichts
gesagt?
« Seine Stimme war jetzt wesentlich lauter. Er ballte die Fäuste. Öffnete und ballte sie, als müsste er Blut in die Venen pumpen.
Sie drehte sich weg.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Hör endlich auf, mich anzulügen!«, schrie er und riss sie so heftig an der Schulter herum, dass sie um ein Haar gefallen wäre.
»Au«, sagte sie und sah ihm ins Gesicht. Es war fleckig und verzerrt.
»Seit wann läufst du hier herum und
heuchelst?
«
,
schrie er. »Wie konntest du mir das antun?«
Der Zorn traf mit solcher Kraft auf ihr Zwerchfell, dass ihr beinahe die Luft wegblieb.
»
Ich?
«
,
fragte sie mit erstickter Stimme. »Wie ich
dir
das antun konnte? Bist du nicht ganz sauber, du verdammter, untreuer
Sack?
«
Das letzte Wort brüllte sie so laut, dass ihre Spucke in seinem Gesicht landete. Während eines Schrittes in ihre Richtung hielt er inne und ließ die Arme fallen.
»Aha«, sagte er. »Jetzt ist es raus.«
»Was ist raus?«, sagte sie, völlig atemlos von ihrem Wutausbruch.
»Wie du über mich denkst. Warum du mich nie anfasst. Warum unsere Ehe zu einer verdammten Farce geworden ist, in der es sich nur noch um
Einrichtung
und
Gartenarbeit
und
Kindererziehung
dreht.«
Er rang die Hände, tigerte durch den Raum und schrie die Worte hinaus.
»Ich habe in einer
Lüge
gelebt! Ich bin wie der allerletzte Idiot durch die Gegend gelaufen und habe an das geglaubt, was ich sehe. Ich habe versucht und versucht und war unterstützend und dankbar und habe
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