Nobels Testament
bis Birgitta ihre Nummer fand und zurückrief.
Sie schaffte es in einer Minute und zwanzig Sekunden.
»Caro hat gesagt, das Archiv wäre für mich«, sagte die Professorin und klang ebenso verletzt wie wütend. »Wie können Sie so etwas tun?«
»Jede Kleinigkeit«, sagte Annika. »Von der Konferenz des Nobelkomitees bis zum Seminar und dem Büfett. Alles, was ich an Hintergrundinformation benötige, um zu begreifen, was geschehen ist. Wenn Sie fertig sind, schicke ich die Mail ab.«
Birgitta Larsén stöhnte laut und inbrünstig.
»Ich kann nicht einfach erzählen, wer am Samstag was gesagt hat. Es ist viel komplizierter als das.«
»Ich warte«, sagte Annika.
Erneutes Stöhnen.
»Ja, ja, ja«, sagte Birgitta Larsén. »Also gut.«
Einige lange Sekunden schwieg sie nachdenklich.
»Alles, was mit der Nominierung für den Nobelpreis zu tun hat, wird erst fünfzig Jahre später veröffentlicht, also, welche Experten konsultiert wurden und wie ihre Beurteilung ausgefallen ist.«
»Okay«, sagte Annika.
»Das Nobelkomitee ist aus sechs Personen zusammengesetzt: dem Vorstandsvorsitzenden, dem Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, drei Mitgliedern und dem Sekretär der Nobelversammlung.«
»Ich gehe davon aus, dass das mit der Sache zu tun hat«, sagte Annika.
»Jetzt müssen Sie sich einmal gedulden, meine Liebe«, sagte Birgitta Larsén, »denn ich erzähle Ihnen gerade etwas, das noch weitere neunundvierzig Jahre der Geheimhaltung unterliegt. Letztes Jahr ist Folgendes passiert: Caroline hat sich geweigert, den Empfehlungsbericht zu unterschreiben, der Medi-Tecs Forscher als mögliche Nobelpreisträger in Betracht zog. Keiner der anderen verstand ihre Beweggründe, aber sie lehnte strikt ab.«
Annikas Puls raste.
»Wofür sollte Medi-Tec nominiert werden?«
»Das habe ich Ihnen doch erzählt. Sie haben eine Möglichkeit entdeckt, die Dystrophie in den Axonen zu verhindern.«
»Stimmt«, sagte Annika, »die Quelle des Lebens. Wie viel Geld hätte ihnen diese Erfindung gebracht, wenn sie den Nobelpreis dafür erhalten hätten?«
»Einen Nobelpreis? Wie viel Geld? Für Medi-Tec?«
Sie dachte nach.
»Lustig, dass Sie fragen. Ernst hatte das nämlich ausgerechnet. Er war derjenige am Institut, der so etwas konnte. Die Anerkennung und das Marketing des Präparats, das Sie
die Quelle des Lebens
nennen, wäre laut seiner Berechnung mindestens fünfzig Milliarden Dollar wert gewesen. Wenn nicht das Doppelte.«
Fünfzig
Milliarden
Dollar?
Dreihundertfünfzig Milliarden Kronen, dachte Annika. Gibt es so viel Geld?
»Objektiv betrachtet hätte Medi-Tec im Bericht stehen müssen«, sagte Birgitta Larsén, »aber Caroline war eisern. Sie wollte ihr Amt niederlegen, wenn Sören seinen Vorschlag aufrechterhielt.«
»Waren Sie dabei?«
»Natürlich nicht, ich bin erst in diesem Jahr ins Komitee gewählt worden. Caro hat mir davon erzählt.«
»Und am Samstag?«
»Die Situation war ganz ähnlich, merkwürdigerweise, da die Jungs von Medi-Tec wieder vorgeschlagen wurden. Vom selben Mann, Sören Hammarsten. Ernst hat sich sofort auf die Hinterbeine gestellt, sich geweigert, sie in den Bericht aufzunehmen. Sören ist fast verrückt geworden und nannte es Betrug und Korruption. Ernst ist explodiert und hat Sören als bezahlten Lakai beschimpft, na ja, Sie können sich ja ungefähr vorstellen, wie sich das angehört hat. Die anderen Mitglieder hatten andere Kandidaten, die sie befördern oder raushaben wollten, es gab also eine ordentliche Kakophonie.«
»Und dann?«
»Nach der Konferenz hat sich das Komitee hinunter zum Seminar begeben und zugehört. Die meisten blieben anschließend noch zum Büfett. Lars-Henry, der im vergangenen Jahr noch dabei war, aber vor einer Weile ausgeschlossen wurde, tauchte beim Seminar auf. Wir konnten es ihm nicht verbieten, es war für alle Angestellten offen.«
»Und während des Seminars hat er angefangen rumzuschreien?«
»Während des Vortrags hat er sich noch zurückgehalten. Aber dann hat er angefangen, Wein zu trinken. Das Büfett und ein Glas Wem sind umsonst, danach wird zum Selbstkostenpreis verkauft. Nobels Geld soll an die Preisträger gehen und nicht für Saufgelage auf der Campuswiese verschwendet werden.«
»Und dann?«, fragte Annika.
»Wie auch immer, er war im Laufe des Abends jedenfalls in einige ziemlich lautstarke Diskussionen verwickelt.«
»Hat Lars-Henry auch mit Bernhard Thorell gesprochen?«
»Ja, er ist auf ihn losgegangen und hat ihn
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