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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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nachgefühlt.«
    »Wahrscheinlich«, sagte Berit. »Wenn jetzt noch die Mama aufs Haar dem Phantombild gleicht, das du erstellt hast … Die Fernsehaufnahmen sind ziemlich schlecht. Konntest du sie vielleicht erkennen?«
    Annika holte Luft, um zu antworten, hielt dann aber inne.
    Was durfte sie sagen? Was durfte sie bestätigen?
    »Das Phantombild ist schließlich veröffentlicht worden, und du siehst ja selbst, dass sie kein bisschen Ähnlichkeit hat«, sagte sie vorsichtig. »Und ich weiß nicht, ob ich das sagen darf.«
    Berit seufzte leise.
    »Das ist wirklich vertrackt«, sagte sie. »Du steckst ganz schön in der Zwickmühle, aber das macht es uns anderen auch schwer. Wir müssen irgendwie um dich herum und Dinge herausfinden, die du schon längst weißt.«
    »Also«, sagte Annika und richtete sich auf dem Sofa auf. »Ich weiß eigentlich nichts, außer dass mir eine Frau auf den Fuß getreten hat, als ich im Goldenen Saal getanzt habe. Die Polizei hat mir keinen Piep verraten, weder über Bandhagen oder Berlin. Ich habe keine Ahnung, was die da ausgebrütet haben. Dass ich zufällig vor Ort war, kann mich nicht davon abhalten, an der Sache zu arbeiten.«
    Etwas raschelte am anderen Ende.
    »Ich weiß«, sagte Berit leise. »Aber ich finde, du kannst es am Wochenende ruhig mal ein bisschen langsam angehen lassen. Patrik übernimmt die Polizei und ich den Rest, und dann sehen wir uns am Montag, in Ordnung?«
    Ein verblüfftes Schweigen dröhnte einige Sekunden in der Leitung.
    »Klar«, sagte Annika. »Super.«
    Mit einem unbestimmten Gefühl der Leere legte sie auf.
    Wann in diesem Leben hatte jemand bei ihr angerufen und gesagt, dass sie
nicht
zu erscheinen brauche?
    »Wer war das?«, sagte Thomas von der Tür und trocknete sein frisch rasiertes Kinn mit einem Handtuch ab.
    »Berit von der Zeitung, sie …«
    Thomas warf das Handtuch zu Boden.
    »Das war so verdammt klar«, schrie er. »Wenn wir einmal bei meinen Eltern zum Glöggtrinken eingeladen sind, musst du selbstverständlich arbeiten. Ich
wusste
es!«
    »Tatsächlich ist das nicht der Fall«, sagte Annika und erhob sich. Sie hob Thomas’ Handtuch auf und reichte es ihm, sah, dass es voll Blut war, weil er sich mit dem Rasierer geschnitten hatte. Er wandte sich ab, ohne es entgegenzunehmen, und sie sah seine breiten Schultern wieder im Bad verschwinden. Mit einem Gefühlswirrwarr in der Magengrube blieb sie einige Augenblicke stehen. Wie gern wollte sie ihn erreichen. Wie abgrundtief hasste sie seine zunehmende Selbstgefälligkeit. Wie sehr verabscheute sie den Gedanken an ihn und die blonde Landtagsschlampe Sophia Grenborg.
    Sie hatten es miteinander getrieben, aber Annika hatte dafür gesorgt, dass damit Schluss war.
    Es ist vorbei, dachte sie. Jetzt ist alles wieder gut.
    Das Glöggtrinken bei den Schwiegereltern in Vaxholm war genauso gezwungen, wie sie befürchtet hatte. Die Villa aus der Jahrhundertwende platzte vor enthusiastischen Vorstadtbürgern in Blazer und glänzenden Schuhen aus allen Nähten. Die Kinder fest an der Hand, ging Annika herum. Sie waren herausgeputzt und glatt gekämmt und eingeschüchtert. Das Gedränge an den Türen war so groß, dass sich Staus bildeten. Unter ihren Brüsten brach der Schweiß aus, und auch die Hände der Kinder waren so glitschig, dass sie die beiden beinahe verlor.
    Viele der Gäste waren Mitglieder des örtlichen Unternehmerverbands. Thomas’ Vater saß seit über dreißig Jahren im Vorstand. Es wurde über Touristen gesprochen, über ihre Anzahl und wie man sie steigern könnte. Man erörterte das Problem der Ladenbetreiber, die lediglich während der kurzen Sommermonate öffneten, was erheblich zur Verarmung der Ansässigen beitrug. Man diskutierte über den Weihnachtsmarkt, der bislang bestens lief und das auch noch ein weiteres Wochenende tun würde.
    Und ausnahmsweise wurde auch über das Tagesgeschehen debattiert.
    »Zum Glück haben sie diese Nobelterroristen geschnappt«, sagte eine blauhaarige Dame zu einer weißhaarigen, als Annika auf der Suche nach etwas Essbarem für die Kinder vorüberkam.
    »Wenn man sich vorstellt, dass al-Qaida jetzt auch schon in Stockholm ist«, sagte ein Mann. »Wer weiß, vielleicht gibt es sie sogar schon hier in Vaxholm!«
    Sie ging weiter und lotste die Kinder in Richtung Küche.
    »Ja, aber ich muss doch sagen, dass die Nobelpreis-Gala völlig überschätzt ist … Das Essen ist vollkommen kalt, wenn es serviert wird.«
    Die Worte kamen von einem der

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