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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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jetzt nicht.«
    »Wo ist Papa?«, fragte Ellen, der plötzlich auffiel, dass Thomas nicht im Auto war.
    »Papa kommt etwas später, er wollte noch ein bisschen bei Oma und Opa bleiben.«
    Sie stellte die Zündung ab, der Motor erstarb, und die Dunkelheit verschluckte sie.
    »Mama, mach wieder an!«, wimmerte Ellen, die Angst im Dunkeln hatte, und Annika schaltete rasch die Innenraumbeleuchtung ein.
    »Ich steige aus und gehe mal gucken«, sagte sie. »Kommt ihr mit?«
    Die beiden Kinder ignorierten sie und beugten sich wieder über ihre Spiele.
    Annika öffnete die Autotür und setzte vorsichtig einen Fuß auf den eisigen Asphalt. Vom Meer wehte eine Brise heran, sie erahnte die Feuchtigkeit, selbst wenn sie das Wasser nicht sehen konnte. Der »Seeblick« in der Anzeige beschränkte sich auf einen kleinen blauen Meereszipfel, der von einem der Schlafzimmer im obersten Stockwerk zu sehen war. Aber das machte nichts.
    Sie ließ die Autotür hinter sich zufallen und trat an den Zaun. Vor erst drei Wochen hatte sie in Luleå ein altes maoistisches Netzwerk enttarnt. Bei dieser Aktion hatte sie in einem Transformatorenhäuschen einen Sack mit Euro-Scheinen gefunden. In schwedische Kronen umgerechnet enthielt er 120 Millionen. Ein Zehntel dieses Geldes würde sie Ende April als Finderlohn bekommen, also 12,8 Millionen Kronen.
    Das Haus in Djursholm hatte sie im Internet gesehen, noch bevor sie im Geldregen stand. Fast neu, ruhig und friedlich, nur 6,9 Millionen.
    Sie hatte es für 6,5 Millionen bekommen. Niemand hatte sie überboten.
    Die Übergabe sollte am 1. Mai stattfinden, wenn der Finderlohn ausgezahlt würde. Ihre Wohnung in der Hantverkargatan würde im Frühling verkauft werden, sie hatte bereits einen Makler eingeschaltet und die Wohnung schätzen lassen. Sie könnten um die dreieinhalb Millionen dafür bekommen.
    »Dann kannst du dir vielleicht ein Boot kaufen«, hatte Annika gesagt und sich auf Thomas’ Schoß gekuschelt.
    Er hatte sie aufs Haar geküsst und ihr dann über die Brustwarzen gestrichen.
    »Sollen wir uns ein bisschen hinlegen?«, hatte er geflüstert, und sie hatte sich entzogen.
    Sie konnte nicht, vermochte es nicht. Jedes Mal, wenn er mit ihr schlafen wollte, sah sie ihn und Sophia Grenborg vor sich, ihr öffentliches Geknutsche vor dem Einkaufszentrum Nordiska Kompaniet, dessen Zeuge sie durch Zufall geworden war. Sie stellte sich ihre schweißglänzenden Körper und ekstatischen Gesichter vor.
    »Mama.« Ellen hatte die Autotür einen Spalt geöffnet. »Ich muss Pipi.« Annika ging zurück zum Wagen.
    »Komm, ich helfe dir«, sagte sie und schnallte die Kleine vom Kindersitz los.
    Sie sah sich nach einer geeigneten Stelle um, wo sie sich hinhocken konnte. Ihr Blick schweifte über den Himmel, Baumkronen und Fassaden. Es war sternenklar. Die Stille, die sie umgab, war groß und schwarz.
    Das Haus,
ihr
Haus, stand auf einem Eckgrundstück an einer gewöhnlichen Kreuzung. In der Umgebung gab es Häuser unterschiedlicher Stilrichtung und Architektur, von der mächtigen Patriziervilla aus der Jahrhundertwende bis zum Fünfziger-Jahre-Backsteinkasten mit riesigen Fenstern und Souterrain. Hier und da brannten schon Kerzen und Lampen und ließen die Fenster wie Katzenaugen leuchten. Zwischen den kahlen Laubbäumen konnte sie das Nachbarhaus erahnen. Die Grundstücke waren groß und durch Hecken und Zäune getrennt.
    Ihr Haus war das einzig neue, dachte sie plötzlich. Und mit seinen hundertneunzig Quadratmetern auch das kleinste in der Gegend.
    »Wo soll ich Pipi machen, Mama?«
    Annika ging um das Auto herum.
    »Hock dich einfach hierher, hier guckt keiner.«
    Während die Kleine ihre Strumpfhose hinunterzog, um in den Graben zu pinkeln, vernahm Annika das Motorengeräusch eines herannahenden Wagens. Es wurde lauter, der Wagen fuhr schnell.
    Plötzlich brachen die Lichtkegel durch die Dunkelheit und huschten über sie und das Auto. Es war ein dunkler Mercedes, der mit Fernlicht fuhr. Instinktiv hob sie die Hand vor die Augen, um nicht geblendet zu werden, aber der Wagen bog ab.
    Er bog in die Einfahrt, in
ihre
zukünftige Einfahrt, fuhr am Haus vorbei und direkt über den Rasen aufs nächste Grundstück.
    »Also, ist es denn möglich …«, sagte Annika und machte ein paar Schritte zum Zaun.
    »Mama, ich bin fertig«, sagte das Kind hinter ihr.
    »Steig schnell wieder ins Auto, ich komme gleich«, sagte Annika und ging in die Einfahrt.
    Der Boden war mit Reifenspuren übersät. Alle führten zum

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