Nobels Testament
Nachrichtensendungen stubenrein. Und an dieser Stelle kommen unsere neuen Schwerpunkte ins Spiel.«
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte Herman Wennergren, und sein Blick flackerte. »Meinen Sie, dass wir
weiblicher
werden sollen?«
Schyman beugte sich vor und senkte die Stimme.
»Diese Mediennische ist als einzige in Schweden ungenutzt«, sagte er und unterstrich seine Worte, indem er mit der Spitze des Kugelschreibers auf seine Unterlagen tippte. »Boulevard-Nachrichten-Fernsehen mit einer persönlichen Note.«
»Fernsehen?«, echote Wennergren.
»Exakt«, sagte Anders Schyman. »Um Fakten zu vermitteln, ist das Fernsehen eigentlich jämmerlich, aber fantastisch für Gefühle, Dramatik, Menschlichkeit und Nähe, all das, worauf die Abendzeitungen bislang ein Monopol hatten. Wenn irgendwer sich einmal ernsthaft hinsetzt und die Nachrichten für ein breites Publikum boulevardartig aufbereitet, kann die Konkurrenz einpacken.«
Wennergren sah verwundert auf.
»Aber die Inhaberfamilie besitzt doch Unmengen von Fernsehsendern. Warum hat das noch niemand gemacht?«, fragte er mit großen Augen.
»Früher waren die Technik und die Sendegenehmigung Hinderungsgründe«, sagte der Chefredakteur. »Es war teuer und verboten. Heute begründet sich der Widerstand hauptsächlich aus Vorurteilen und überholten Traditionen.«
An diesem Punkt legte er sein zweites Papier vor.
»Aber im Prinzip steht dem heutzutage nichts mehr im Wege. Es geht in erster Linie darum, die Initiative zu ergreifen, dann bleiben lediglich die Aufteilung und eine Neustrukturierung.«
»Das hört sich ja alles sehr visionär an«, sagte Herman Wennergren, »allerdings nicht sehr wirklichkeitsnah. Wo in aller Welt sollte das denn hin, rein praktisch?«
Anders Schyman merkte, wie die Spannung in seinem Nacken nachließ, und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Da kommen dann die Infrastruktur und die Technik ins Bild«, sagte er.
»Kein Umzug in dieser Phase«, sagte Wennergren, »dafür haben wir kein Geld.«
Anders Schymans Lächeln wurde immer breiter.
»Ich habe mir darüber so meine Gedanken gemacht«, sagte er. »Und ich hätte da einen Vorschlag.«
Spiken aß gerade eine Banane, als Annika in die Redaktion kam.
»Gab es etwas zu holen?«, fragte er, als sie am Newsdesk vorüberging.
»Du isst noch was anderes als Pizza?«, fragte Annika verblüfft und starrte auf das Obst in Spikens Hand.
Er sah sie verächtlich an.
»War der König da? War jemand vom
Konkurrenten
da?«
Sie versuchte ihre Gesichtszüge wieder zu sortieren und antwortete nonchalant:
»Dieser Bosse war da, aber der König ist nicht gekommen. Es war wirklich rührend, das Karolinska-Institut hat einhundert Millionen Dollar Forschungsgelder bekommen, und keiner war über nichts einer Meinung. Und dann waren sie noch sehr traurig, dass ihre Nobelkomiteevorsitzende tot ist.«
»Gut«, sagte Spiken. »Vergiss es. Wir haben so viele Feuerwerksanzeigen, dass wir nicht mal Platz für den König hätten, wenn er sterben würde.«
Annika ging in ihr Büro, zog die Glastür hinter sich zu und warf Jacke, Mütze und Schal auf einen Haufen. Sie schaltete den Computer an. Während die Programme geladen wurden, suchte sie in ihren Schreibtischschubladen nach etwas Essbarem, fand aber nichts.
Was ging eigentlich in ihr vor? Sie flirtete sich um Kopf und Kragen mit einem Kerl vom Konkurrenzblatt, einem Typen, der unpassender nicht sein konnte, ungeachtet der Tatsache, dass sie verheiratet war, zwei Kinder hatte und auf dem besten Wege war, ein Haus in Djursholm zu kaufen.
Gedanken sind noch lange keine Untreue, dachte sie. Ich kann fühlen, was ich will, wenn ich nicht handle. Ich werde es nicht machen wie Thomas.
Und wieder einmal sah sie diese Frau vor sich, Sophia Grenborg. Blond und kostümgekleidet, passte sie tadellos in möblierte Zimmer, eine jüngere Ausgabe seiner eiskalten Ex-Frau Elenor.
Ohne zu wissen, wie es dazu kam, suchte sie Sophia Grenborg im Internet, googelte sie und yahoote sie und Enori-News suchte sie, dabei fand sie einige interessante Links.
Personalveränderungen
hieß eine Rubrik für interne Informationen auf der Seite des Landtages. Den letzten Eintrag las Annika sehr genau:
»Den neuen Vorsitz des Amtes für Verkehrssicherheit wird die ehemalige Projektleiterin Sophia Grenborg einnehmen. Sie hat zuletzt eng mit der Kongressgruppe zusammengearbeitet.
›Für mich ist das eine spannende Herausforderung‹, sagte Sophia Grenborg. ›Ich
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