Nobels Testament
hat?«
»Sie stand auf keiner Gästeliste, so viel ist klar. Man glaubt, dass sie bis unmittelbar vor dem Mord weder in der Blauen Halle noch im Goldenen Saal war. Sie muss also das Gebäude gegen halb elf Uhr abends betreten haben. Man weiß nur noch nicht, wie.«
Annika trank von ihrem Kaffee.
»Weiß man, über welchen Weg sie geflüchtet ist?«
»Durch den Speiseaufzug und die Warenannahme. Der Aufzug sollte eigentlich nicht ohne Schlüsselkarte und Code funktionieren. Aber an solchen stressigen Abenden wie der Nobelpreis-Gala sind mehrere Aufzüge gleichzeitig in Betrieb, sonst könnten solche Veranstaltungen gar nicht reibungslos ablaufen. Ich schreibe morgen einen Artikel darüber.«
»Kann man jemanden dafür drankriegen?«
»Noch nicht«, sagte Berit. »Noch decken sich alle gegenseitig.«
Annika stand auf, holte die Kaffeekanne und goss ihnen nach.
»Ich habe gehört, dass das Fluchtboot im August in Nacka gestohlen wurde«, sagte sie. »Weißt du Genaueres darüber?«
Berit nickte gedankenverloren.
»Da ist etwas, was ich nicht verstehe«, sagte sie. »Sie haben das Boot in Gröndal gefunden, und sie glauben, dass die Täterin von dort aus mit dem Auto Richtung Süden gefahren ist.«
»Und?«, sagte Annika.
»Von Gröndal gibt es keine Möglichkeit, nach Süden zu kommen. Man muss ganz runter bis nach Nybodakopplet, um auf die Autobahn nach Süden zu kommen. Das ist ein total holpriger Umweg, der einen mindestens fünf Minuten zusätzlich kostet.«
Annika trank ihre zweite Tasse Kaffee aus.
»Wenn die Alternative war, nach Norden zu fahren, war der Weg nach Nybodakopplet wahrscheinlich immer noch besser.«
Berit schob ihr Brötchen von sich.
»Wenn sie aber mit dem Auto nach Süden wollte, warum ist sie dann nicht in Stora Essingen von Bord gegangen? Die Überfahrt wäre kürzer gewesen, und man kann dort direkt auf die Autobahn fahren. Ich kapiere das nicht. Was hast du heute gemacht?«
»Ich bin am KI gewesen«, antwortete Annika. »Ist aber nichts bei rausgekommen. Weißt du übrigens, wer Bernhard Thorell ist?«
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie von Bosse erzählen sollte, entschied sich dann aber dagegen.
Berit gab dem Brötchen eine neue Chance und kaute einige Sekunden konzentriert.
»Das Ding hier ist weder von heute noch von gestern«, sagte sie und schluckte mühsam. »Thorell? Ist er mit Simon Thorell verwandt?«
Annika zuckte die Achseln.
»Simon Thorell«, sagte Berit nachdenklich und zerkrümelte die Reste ihres zähen Brötchens. »Sagt dir der Name nichts? In den Siebzigern war er ganz groß im Risikokapitalgeschäft, eigentlich der erste echt kapitalistische Großanleger. Er hat sich und seine Frau auf einer Reise in den Alpen zu Tode gefahren, wenn ich mich recht entsinne. Sehr tragische Geschichte.«
»Der Typ, den ich meine, ist Pharma-Boss in den USA«, sagte Annika.
Berit wischte sich die Finger an einer Serviette ab und leerte ihren Kaffeebecher.
»Schreibst du etwas für morgen?«, fragte sie und erhob sich.
»Spiken war nicht sonderlich daran interessiert«, sagte Annika und folgte Berit.
»Hast du gesehen, wie wenig Platz wir haben? Das Weihnachtsgeschäft wird in diesem Jahr wieder alle Rekorde schlagen, jedenfalls, wenn man nach der Menge der Anzeigen im
Abendblatt
geht.«
»Eins noch«, sagte Annika. »Weißt du, was Nemesis bedeutet?«
Berit warf ihren Becher, das Brötchen und die Serviette in den Mülleimer.
»Nemesis«, sagte sie, »ist der Name der griechischen Göttin der Rache und Vergeltung. Warum fragst du?«
»Einfach so«, sagte Annika.
@ Betreff: Der Preis der Liebe
Empfänger: Andrietta Ahlseil
Bertha Kinsky kommt zu Beginn des Jahres 1876 nach Paris, um Alfreds Sekretärin zu werden. Bei ihrem ersten Zusammentreffen ist die österreichische Gräfin zweiunddreißig Jahre alt, sie ist schön, ledig, unerhört intelligent – und sehr arm.
Er holt sie am Morgenzug ab, und sie fahren mit Alfreds Droschke zum Frühstück ins Grand Hotel. Bertha, die später eine international anerkannte Schriftstellerin wird, beschreibt die Fahrt folgendermaßen:
Die Sonnenstrahlen spielten mit den schimmernden Springbrunnen Rond Points und ließen die Equipage und das Geschirr in unzähligen Lichtern erstrahlen.
Sie unterhalten sich über die Welt und die Menschen, über aktuelle und immerwährende Probleme, Alfred kann sogar von seinen Experimenten berichten, und sie versteht. Sie sprechen von der Kunst und der Liebe, und sie sprechen von
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