Nobels Testament
mir, Deinen Namen zu benutzen? Kannst Du mir ein wenig Bares schicken? Du bist ja mein Einziges hier in dieser Welt.
Nun sei herzlich geküsst
Von Deiner Dich ewig liebenden
Sofie
Drei Millionen Kronen. So viel schickt er, jedes Jahr, umgerechnet drei Millionen Kronen.
Wie schrecklich ausgehungert er gewesen sein muss, so vollkommen einsam und verlassen.
Wie teuer er bezahlt, und wie wenig er bekommt.
@
Dienstag, 15. Dezember
Anders Schyman klopfte vorsichtig an Annika Bengtzons Glastür. Die Reporterin schaute erstaunt von ihrer Zeitung auf und machte ihm ein Zeichen hereinzukommen.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie und stand auf, um ihre Jacke fortzuräumen, die sie auf den einzigen Besucherstuhl im Raum geworfen hatte.
Schyman schloss die Schiebetür ordentlich hinter sich und setzte ein offenes und neutrales Gesicht auf.
»Ich wollte fragen, wie sich das Redeverbot mit Ihrer Arbeit verträgt«, sagte er, und es gelang ihm, sowohl pädagogisch als auch freundlich zu klingen. »Wie läuft es denn so? Gibt es Schwierigkeiten?«
Annika Bengtzon setzte sich wieder, seufzte ziemlich tief und warf ein halb gegessenes Hefeteilchen in den Papierkorb. Sie hatte sich das Haar gekämmt und sah mittelmäßig ausgeruht aus.
»Ich sehe da kein Problem«, sagte sie, »aber ich habe gemerkt, dass Berit und die anderen Schwierigkeiten damit haben. Sie glauben, dass ich über massenweise Informationen verfüge, die ich gar nicht habe. Sie machen einen Bogen um mich, obwohl das vollkommen unnötig ist.«
Der Chefredakteur setzte sich auf den Besucherstuhl und nickte.
»Das habe ich auch so verstanden«, sagte er, »und ich finde die Situation nicht besonders glücklich. Nun weiß ich ja, dass Sie es mir nicht sagen dürfen, aber ich möchte Sie trotzdem fragen: Wissen Sie etwas, was Sie uns nicht gesagt haben? Überhaupt irgendetwas von Bedeutung?«
Die junge Frau betrachtete ihn aus ihren streng geschminkten Augen. Etwas an ihr verdarb ihm immer ein bisschen die Laune, als wüsste sie Dinge über ihn, die sie nicht wissen sollte.
Jetzt starrte sie ihn einige Sekunden stumm an.
»Zwei Dinge sind mir aufgefallen, die noch nicht bekannt sind. Soweit ich das sehe, bereichern sie unsere Berichterstattung überhaupt nicht, aber aus ermittlungstechnischen Gründen hat man die Öffentlichkeit wohl noch nicht darüber informiert.«
»Ich werde Sie nicht bitten, zu sagen, worum es sich dabei handelt«, sagte Schyman. »Aber allein die Tatsache, dass es etwas gibt, birgt schon Komplikationen.«
»Ihre Augen«, sagte Annika Bengtzon. »Sie hatte gelbe Augen. Ich bin ganz sicher. So merkwürdige Augen habe ich nämlich noch nie zuvor gesehen. Das hat nirgends gestanden. Sie haben es auch auf dem Phantombild geändert, da sind die Augen grün.«
Der Chefredakteur nickte, erstaunt über das ihm entgegengebrachte Vertrauen. Er entschied sich, die Fortsetzung still abzuwarten.
»Und dann die Handtasche«, sagte die Reporterin. »Sie trug eine längliche, silberfarbene Abendhandtasche mit einem schmalen Träger. Kommissar Q meinte, dass eine kleine Waffe mit Schalldämpfer in so eine Tasche passt.«
Er nickte wieder.
»Das waren die beiden Dinge«, sagte er.
»Das waren die beiden Dinge«, bestätigte Bengtzon.
»Nichts, womit man den Weihnachtsbaum besonders schmücken könnte«, sagte Anders Schyman und lächelte.
Die Reporterin seufzte wieder und langte nach einer unangebrochenen Tafel Schokolade.
Der Chefredakteur setzte alles auf eine Karte.
»Wissen Sie«, sagte er und bemühte sich, nicht zu gezwungen zu klingen, »ich glaube, es wäre für alle besser, wenn Sie ein paar Tage freinehmen, während es hier so drunter und drüber geht.«
Annika Bengtzon erstarrte, sie legte die Schokolade wieder auf den Schreibtisch, ohne auch nur ein Stück davon gegessen zu haben.
»Wie stellen Sie sich das vor?«, fragte sie vorsichtig.
»Ihre Anwesenheit bringt Unruhe in die Redaktion. Ihre Kollegen befürchten, Sie zu verletzen oder Ihnen zu schaden. Man nimmt übertriebene Rücksicht bei der Kontaktaufnahme mit der Polizei, damit es nicht so aussieht, als hätten Sie gequatscht. Es hemmt uns ganz einfach und beeinträchtigt das Verhältnis zu Ihren Kollegen.«
Die Reporterin schaute hinunter auf ihre Schokolade, knisterte ein wenig mit dem Silberpapier.
»Das haben Sie sich ja schön zurechtgelegt«, sagte sie und sah auf.
»Was?«, fragte er und biss sich beinahe auf die Zunge, denn er wusste eigentlich genau,
Weitere Kostenlose Bücher