Nobels Testament
ist ja nicht möglich«, sagte Annika.
Ebba zuckte die Achseln.
»Der Konzern hat dann eine alternative Methode entwickelt und das gleiche Resultat wie ich erzielt. Damit wurden ADVA-Bio und mein Patent mehr oder weniger wertlos. ADVA-Bio ging mit einer viertel Milliarde Schulden Konkurs.«
»Heiliger Strohsack!«
»Des einen Freud, des anderen Leid«, sagte Ebba und lächelte wieder. »Willst du noch einen Kaffee?«
»Ja, gern«, sagte Annika, und Ebba stand auf und nahm die beiden Becher mit in die Küche.
Mit einem leisen Pfeifen im einen Ohr und dem undefinierbaren Gefühl, windelweich geklopft worden zu sein, blieb Annika auf dem großen Sofa sitzen. Warum erzählte jemand als Erstes eine solche Geschichte? Ebba hatte sie nicht zum ersten Mal zum Besten gegeben, so viel stand fest, aber warum so unmittelbar?
Offenbar beschäftigten all diese Erlebnisse sie immer noch sehr. Sicher dachte sie jeden Tag daran, ein unverarbeitetes Trauma, das sich in ihrem Kopf drehte und drehte, sobald sie sich ein wenig entspannte, vielleicht wenn sie joggte oder duschte.
Es ist so wichtig, eine Bedeutung und einen Platz im Leben zu haben, dachte Annika.
Ebba kam mit neuem Kaffee und einem Obstteller zurück, ihre rosa Lippen lächelten.
»Und was machst du jetzt?«, fragte Annika, als die Gastgeberin sich wieder auf dem Sofa niedergelassen hatte und das Obst begutachtete.
»Ich erforsche die Signalwege der Zellen«, sagte Ebba und nahm sich einen Apfel. »Ich habe dem KI fünfzehn Millionen für ein Forschungsprojekt zur Entstehung von Alzheimer gespendet, unter der Bedingung, dass ich die Forschung leite. Mit einem kleinen Team arbeite ich seit drei Jahren daran.«
»Wow«, sagte Annika. »Habt ihr etwas herausgefunden?«
»Es gibt ein Ungleichgewicht im Gehirn der Patienten«, antwortete Ebba und biss vorsichtig in den Apfel. »Aus irgendeinem Grund bilden sich in den Gehirnen dieser Menschen zu viele Phosphatgruppen an den Proteinen. Deshalb verklumpen sich die Proteine in den Zellen, und es entstehen Ablagerungen. Und damit beginnt der Krankheitsverlauf. Wir versuchen herauszufinden, was dieses Ungleichgewicht auslöst und wie man es verzögern beziehungsweise verhindern kann.«
»Es wäre fantastisch, wenn euch das gelingen würde«, sagte Annika.
»Nicht wahr?«, entgegnete Ebba. »Hast du mal erlebt, wie ein Mensch mit Alzheimer verkümmert? Es ist schrecklich. Mama sprach sieben Sprachen, neben Russisch, das war ihre Muttersprache. Sie hat sie alle verloren, und ihr Zeitgefühl und ihre Orientierung dazu, alles, was einen Menschen ausmacht. Ich hoffe, dass wir den entscheidenden Stein im Mosaik finden, der das verhindern kann.«
»Es hört sich an, als sei das ziemlich weit entfernt von dem, was du früher gemacht hast«, sagte Annika.
»Nicht so weit, wie man meinen könnte«, sagte Ebba. »Eine Theorie ist, dass Alzheimer aufgrund einer Entzündung ausbricht. Wir wissen, dass die Botenstoffe des Immunsystems damit zu tun haben, und die Signalwege der Zellen sind die gleichen …«
Sie verstummte und wandte den Blick ab.
»Ist Alzheimer erblich?«, fragte Annika.
»Nur in ungefähr fünf Prozent der Fälle, die meisten Erkrankungen haben also eine andere Ursache. Das Ziel ist natürlich, einen Impfstoff zur Vorbeugung zu finden, damit dem Körper ein Stoff zugeführt werden kann, der dafür sorgt, dass die Proteine sich nicht verklumpen und gar nicht erst ein Ungleichgewicht entsteht.«
»Wird euch das gelingen?«
Ebba zuckte die Achseln.
»Entweder uns oder jemand anderem. Für den, der zuerst kommt, gibt es eine Menge Geld zu verdienen. Allein am KI gibt es zwei Forschungsaufträge dazu.«
»Auftragsforschung scheint inzwischen ziemlich üblich zu sein, oder?«, fragte Annika und bemerkte, dass Ebba eigentlich nicht auf ihre Frage, ob sie etwas herausgefunden hätten, geantwortet hatte.
»Sehr üblich«, sagte Ebba. »Mehrere Projekte an meinem Institut sind bestellte Arbeiten von außen. Den größten Auftrag haben wir im Winter bekommen: Ein Pharmakonzern will einen Impfstoff gegen ein zukünftiges Supervirus entwickeln.«
»Also eigentlich deine frühere Baustelle?«, fragte Annika.
Ebba wischte sich die Mundwinkel mit einer hellblauen Serviette ab, Annika sah, wie der Lippenstift auf das Papier abfärbte.
»Ja«, sagte Ebba, »auf gewisse Weise. Sie wollen wissen, nach welchen Mechanismen das Virus mutiert, um es kontrollieren zu können.«
»Medi-Tec«, sagte Annika.
Ebba hob die
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