Nobels Testament
gesehen, was da passiert ist?«
Annika fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
»Caroline von Behring hat mich angesehen, als sie starb«, sagte sie. »Ich träume andauernd von ihr, langsam wird das ziemlich unangenehm.«
Ebba wandte sich ab und stellte die Becher in die Spülmaschine.
Anders Schyman stand hinter der Glaswand und betrachtete die Redaktion.
Verglichen mit seinem alten, protzigen Büro mit Aussicht auf die Russische Botschaft, gab er seinem neuen, anspruchslosen Kämmerchen tatsächlich in allen Punkten den Vorzug. Das Beste daran waren der direkte Anschluss an die Redaktion, die Menschen, die kamen und gingen, der blaue Schein der Computer in dunklen Nächten, die Vorstellung von etwas Pulsierendem, das bestenfalls die Wirklichkeit war, auf jeden Fall aber kommerziell umsetzbar.
Das Einzige, was er vermisste, war eigentlich der Soldat im Wachhäuschen am Zaun der Botschaft.
Der Alte muss einfach zufrieden sein, dachte Schyman, als er den Aufsichtsratsvorsitzenden Herman Wennergren durch die Redaktion schlurfen sah.
»Man fühlt sich unweigerlich etwas beengt«, sagte Wennergren, als Schyman ihm die Tür zu seinem Kabuff öffnete. Schyman war unsicher, ob sein Chef auf die Redaktion, das Büro oder seinen eigenen eng anliegenden Segeltuchmantel abzielte.
»Wir müssen uns wohl in die Cafeteria setzen«, sagte Anders Schyman. »Ich habe keine Besucherstühle mehr. Aber lassen Sie mich doch erst mal Ihren Mantel aufhängen …«
»Hm«, machte Wennergren und reichte dem Chefredakteur seinen Schal und seinen Überzieher. »Wie ich sehe, habt ihr hier oben keine Zeit verschwendet.«
Der Aufsichtsratsvorsitzende sah aus, als wäre er nicht uneingeschränkt mit dem hohen Tempo einverstanden, in dem sich die Zeitung veränderte.
»Wir haben sowohl mit dem Radio als auch mit dem Fernsehen einen Testlauf gestartet«, sagte Schyman. »Das Web ist vollständig ausgebaut. Wir waren der Ansicht, dass es am besten ist, die einzelnen Bereiche so schnell wie möglich in Gang zu bringen, damit der Aufsichtsrat eine Art Grundlage hat, um Stellung zu nehmen.«
Ich spreche im Pluralis Majestatis, dachte Schyman und beschloss, auf diese Weise fortzufahren.
»Ich soll Ihren Eifer also nicht als Versuch deuten, dem Beschluss des Vorstands vorzugreifen?«, fragte Wennergren säuerlich. »Es ist sehr viel schwieriger, etwas zu verwerfen, das bereits existiert und funktioniert.«
Schyman holte eine Mappe mit Skizzen und verschiedenen Dokumenten hervor.
»Ich muss gestehen, dass der Umzug einfacher als erwartet war«, sagte Anders Schyman. »Da der Platz für alle Abteilungen reduziert wurde, auch für die Leitung und die Redaktionschefs, hatten weder die Gewerkschaft noch der Betriebsrat viel dagegen einzuwenden.«
»Das ist schwedische Mentalität. Wenn alle leer ausgehen, ist es gerecht«, stellte Wennergren fest.
»Genau«, sagte Schyman und verließ den Raum. Er führte den Aufsichtsratsvorsitzenden nach rechts durch einen kleinen Korridor. »Wenn ich Ihnen einmal zeigen dürfte … die gesamte Sportredaktion befindet sich jetzt in meinem ehemaligen Büro.«
Sie blieben vor der offenen Tür zum einstigen Reich des Chefredakteurs stehen, Wennergren reckte den Hals und schaute hinein.
»Erstaunlich«, sagte er, »dass man so viele Computer auf so engen Raum quetschen kann.«
»Und es funktioniert sehr gut«, sagte Anders Schyman und ging weiter. »Hier auf der linken Seite haben wir alle Einzelbüros geräumt und die gesamte Marketingabteilung untergebracht. Es haben sich bereits unerwartete positive Spinn-off-Effekte gezeigt, vor allem in der Zusammenarbeit von Vertrieb und Werbung.«
»Wer war früher in diesen Büros?«
»Die Tagesreporter. Wir haben ihnen Laptops zur Verfügung gestellt und sie ermuntert, so viel wie möglich von zu Hause zu arbeiten. Alle sind vollauf zufrieden.«
»Hm«, machte Herman Wennergren wieder. »Ich persönlich finde ja, dass man das Personal im Blick haben sollte.«
Vom Newsdesk kam Spiken herüber und machte ein wichtiges Gesicht.
»Morgen kommt der JO-Bericht über die Sicherheitsmängel bei der Nobelpreis-Gala«, sagte er. »Wen sollen wir dransetzen, damit wir ihn noch heute kriegen?«
Schyman war aufgebracht über die Unterbrechung und wurde noch viel wütender, als er merkte, dass er es nicht verhehlen konnte.
»Nehmen Sie, wen Sie wollen«, sagte er. »Es spielt keine Rolle.«
»Ich hab mit ein paar Jungs von der Webredaktion gesprochen«, sagte Spiken.
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