Nobels Testament
eigentlich? Ich habe ihren Namen schon länger nicht mehr in der Zeitung gelesen.«
»Sie ist beurlaubt«, sagte Schyman und unterließ es, Details wie Lohn und Bedingungen zu erwähnen.
»Hervorragend«, sagte Wennergren und erhob sich von seinem Stuhl. »Gibt es Grund zur Hoffnung, dass es auch so bleibt?«
Hätte Anders Schyman es nicht besser gewusst, hätte er geglaubt, dass Herman Wennergren lächelte, aber das musste eine optische Täuschung gewesen sein. Herman Wennergren lächelte nie.
»Ich werde mich der Sache annehmen«, sagte Anders Schyman.
»Und finden Sie jemanden, der den JO anrufen kann«, sagte Herman Wennergren.
Annika stand in der Küche und schälte Kartoffeln, als sie hörte, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde.
»Hallo«, rief sie über die Schulter.
Keine Antwort.
Sie legte das Schälmesser in die Spüle und lauschte.
»Thomas«, sagte sie ein wenig lauter. »Bist du das?«
Immer noch keine Antwort.
Sie drehte sich um und ging ein paar Schritte in Richtung Haustür, plötzlich ängstlich.
»Wer ist da?«, sagte sie. »Hallo?«
Die Tür zur Garderobe unter der Treppe stand halb offen, dahinter klapperten Kleiderbügel. Annika lief los und riss die Tür weit auf. Drinnen hockte eine blonde Frau und suchte etwas auf dem Boden.
Es dauerte einige Sekunden, bis Annika begriff, dass es Anne Snapphane war. Sie lachte erleichtert und spürte, wie sich ihre Schultern entspannten.
»Gütiger Himmel, hast du mich vielleicht erschreckt«, sagte sie. »Was machst du da?«
Anne schaute zu ihr auf.
»Hallöchen«, sagte sie. »Ich wollte mir meine Schuhe abholen, die du dir geliehen hattest, bevor ich sie ganz vergesse. Hast du sie hier oder in deinem Schlafzimmer?«
»Die Stilettos?«, fragte Annika verwundert. »Die hast du doch wiederbekommen, als du ins Crazy Horse wolltest.«
Das war mindestens ein halbes Jahr her, dachte Annika. Als Anne noch trank.
Anne hielt inne und überlegte.
»Ja, Mensch, das stimmt! Sie sind an dem Abend kaputtgegangen, und ich habe sie weggeworfen, so ist das gewesen. Das Crazy Horse ist ein Scheißladen, geh da bloß nicht hin.«
Sie rappelte sich auf und klopfte sich unsichtbaren Staub von den Knien.
»Kann ich dann diese hier ausleihen?«, fragte sie und hielt Annikas bei NK neu erworbene Cowboystiefel in die Höhe.
Annikas Lächeln erstarb.
»Ich habe sie eigentlich noch nie angehabt«, sagte sie.
»Ach, dann vergiss es«, sagte Anne und ließ die Stiefel fallen.
»Nein, nein«, sagte Annika. »Nimm sie ruhig, ich brauche sie hier zu Hause ja doch nicht …«
Anne sah sie einen Augenblick lang an, beugte sich dann hinunter und hob die Schuhe wieder auf.
»Superlieb von dir«, sagte sie und lächelte. »Weißt du, ich muss mich doch zwischen den Vorträgen umziehen, ich kann ja nicht auf einer Bühne nach der anderen stehen und immer genau gleich aussehen. Sonst zerreißen die Medien sich ja das Maul über mich.«
Sie bewunderte die Stiefel.
»Die sind wirklich total schick. Welches Glück, dass wir die gleiche Größe haben.«
»Willst du mit uns essen?«, fragte Annika und ging zurück in die Küche. »Ich mache Entrecôte und dazu Kartoffelgratin und Knoblauchbrot.«
»Das ist ja nicht gerade Trennkost«, stellte Anne fest und ging eine Runde durch die offenen Räume, die den Eingangsbereich des Hauses bildeten. Küche, Wohn- und Esszimmer waren miteinander verbunden.
»Willst du?«, fragte Annika noch einmal.
»Nein, danke«, sagte Anne. »Ich versuche ein bisschen gesünder zu essen, muss abnehmen. Meine Agentur will ein Shooting mit mir machen, um neue Plakate zu drucken, und die Kamera legt gute fünf Kilo drauf, wusstest du das?«
»Wie macht sie das?«, fragte Annika und holte ihre Küchenmaschine heraus, um die Kartoffeln schnell in Scheiben zu schneiden.
»Dann müsste ja das Objektiv fehlerhaft sein, wenn es die Perspektive nicht richtig wiedergibt, oder so. Kannst du mir mal die Sahne rübergeben?«
»Das ist so ungerecht«, sagte Anne, »du bist so schlank, obwohl du jeden lag so etwas isst. Wo ist denn eigentlich dein Terroristenbekämpfer?«
»Auf dem Schlachtfeld natürlich«, sagte Annika. »Ich dachte vorhin, er wäre gekommen … Wo ist Miranda? Bei Mehmet?«
Anne Snapphane sah sich um, vielleicht um sicherzugehen, dass die Kinder nicht in der Nähe waren, dann trat sie neben Annika.
»Hast du was von Sophia Grenborg gehört?«, fragte sie leise.
Annika stopfte den Hals der Küchenmaschine
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